Manuskript

„Die Welt vergisst Afghanistan“

Sie werden eingeschüchtert und ihnen drohen sogar öffentliche Hinrichtungen: Frauen, die in Afghanistan Sport treiben. Doch international gibt es wenig Unterstützung, meint eine Sportlerin, die heute in Kanada lebt.

„Wir brauchen kein Gefängnis für Frauen in Afghanistan“, meint Amira (Name geändert). „Unsere Häuser sind zu Gefängnissen für uns geworden.“ Bevor die Taliban 2021 die Macht übernahmen, gehörte sie zu den besten Judo-Sportlerinnen des Landes. Doch dann wurde es gefährlich. Die Taliban durchsuchten ihr Haus nach Dokumenten, die beweisen sollten, dass sie Mitglied im Nationalteam gewesen war.

100 Peitschenhiebe oder eine öffentliche Hinrichtung hätten Amira gedroht, wenn sie sie gefunden hätten, erklärt Friba Rezayee, die eine Hilfsorganisation für afghanische Frauen in Kanada leitet. Für die Taliban ist Frauensport eine Sünde: „Sie glauben, dass sexuelle Signale an Männer gesendet werden, weil der Körper der Frau und ihre körperliche Aktivität sichtbar werden“, so Rezayee. Zum Glück konnte Amira fliehen.

Rezayee war selbst Judo-Sportlerin und 2004 eine der ersten beiden Frauen, die jemals bei den Olympischen Spielen für Afghanistan starteten. 2011 floh sie nach Kanada. Heute hat sie Kontakt zu etwa 130 afghanischen Sportlerinnen, die noch im Land sind. Sie verstecken sich weiter in ihren Häusern und "warten gewissermaßen darauf, dass die Taliban an der Tür klopfen und sie verhaften.“ Doch wohin können afghanische Frauen fliehen?

Visa für die Einreise nach Kanada oder Europa zu bekommen, ist schwer. Außerdem konzentriert sich die internationale Aufmerksamkeit auf ukrainische Geflüchtete, so Rezayee, „und die Welt vergisst Afghanistan.“ Auch von den Sportorganisationen fühlt sie sich im Stich gelassen. Die „stille Diplomatie“ des IOC hält sie für falsch. Denn auch wenn die Taliban sehr stark an ihre Ideologie glauben würden: „Sie sind sich bewusst, dass die Welt sie beobachtet, insbesondere in den sozialen Medien.“ Deshalb ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, um Druck auszuüben, meint sie.