Manuskript

Ein Streifzug durch die Geruchswelt

Fast alles verströmt einen ganz eigenen Duft: Menschen, Tiere, die Natur, Speisen – selbst Plastik. Nicht alles davon ist dufte. Ob man jemanden gut riechen kann, hängt allerdings nicht alleine von seinem Duft ab.


Von allen unseren Sinnen wird unser Geruchssinn am meisten vernachlässigt. Über Bilder und Musik – die Nahrung für Augen und Ohren – wird viel geschrieben und diskutiert. Aber wie soll man Gerüche beschreiben? In unnachahmlicher Weise gelang das 1985 Patrick Süskind in seinem Roman „Das Parfum“. Denn wer an Duft denkt, denkt in der Regel zunächst an Parfum. Das Wort kommt aus dem Lateinischen und zeigt den Ursprung der edlen Düfte an: per fumum, also „über den aufsteigenden Rauch“, wurden schon im Altertum bei religiösen Zeremonien Wohlgerüche verbreitet. Denn nicht immer und überall roch es gut. In früheren Zeiten lebte man viel enger zusammen. Keine rasche Dusche konnte einen vom Schweiß heißer Tage befreien, in den kleinen Wohnungen sammelten sich die Essensdünste, es roch nach dem Rauch von Holz und Kohle. Wer es sich leisten konnte, hat damals versucht, üble Gerüche zu überdecken, erzählt die Wissenschaftlerin Christine Hartmann:

„Man kennt diese Berichte beispielsweise aus der Zeit Ludwigs XIV., dass in den Räumen duftende Binsen ausgelegt wurden, um die üblen Gerüche, die also von Essensresten – und ich weiß nicht was – übrig blieben, zu überdecken. Man hatte also eine Form von Raumduft auch schon zu dieser Zeit, und der Raumduft ist ja gerade so in den letzten Jahren wieder ganz, ganz stark im Kommen.“

Schon im 17. und 18. Jahrhundert – zu Lebzeiten des französischen Königs Ludwig XIV. – wurde dafür gesorgt, dass unangenehme Gerüche überdeckt wurden. So wurden in den Zimmern Binsen verteilt, Pflanzen, die die Fähigkeit haben, Schadstoffe aufzunehmen und abzubauen. Manche Sorte verströmt auch einen eigenen Duft. In gewisser Weise ähnelt dieses Verhalten dem, was heutzutage stark im Kommen ist, sich zunehmender Beliebtheit erfreut: nämlich unangenehme Gerüche zu überdecken durch unzählige, meist künstliche Raumdüfte. Was heute allerdings eine Mode ist, war früher notwendig. Denn es ging darum, nicht nur den Geruch von Essensresten zu übertönen. Es gab sehr viel mehr unangenehmere Gerüche, die man nicht mochte. Christine Hartmann verwendet dafür die umgangssprachliche Wendung „ich weiß nicht was noch“. Gerüche haben eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf uns Menschen. Weil man weiß, dass sie auch fürs Wohlbefinden wichtig sind, setzen große Firmen in manchen Ländern schon spezielle Düfte ein, damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr leisten. Auch die Lebensmittelindustrie weiß um die Macht der Düfte. So werden künstliche Aromen zunehmend mit einem bestimmten Ziel, gezielt, eingesetzt, sagt Christine Hartmann:

„Dort wo Bäckereien in den Kaufhäusern sind, setzt man also Brotgeruch gezielt ein, um den Besucher oder den Käufer einzuladen, das Brot zu kaufen.“

Der Geruchssinn vermittelt uns vielerlei Informationen – zum Beispiel, ob Brot frisch gebacken wurde, Früchte sehr reif sind, ein Fisch alt ist, oder die Handtasche aus echtem Leder oder nur aus billigem Kunststoff hergestellt wurde. Aber der Geruchssinn ruft auch Stimmungen hervor: Frischer Wald- und Wiesengeruch lässt uns ein Gefühl von Freiheit und Größe empfinden. Stickiger Dunst wirkt bedrängend und macht uns träge. Und es gibt Gerüche, die bei manchem Menschen Eindrücke oder Erinnerungen wecken:

„Gerüche und Wohnungsgerüche kann man ja auch mit Jahreszeiten sehr stark verbinden, Adventsgeruch gibt’s, ganz typisch, sei es Zimt- oder Plätzchengeruch oder Kerzengeruch, oder Bienenwachs. ‘n ganz wichtiger Wohnungsgeruch ist natürlich auch Putzmittelgeruch. Das gibt’s ja auch ganz viel bei Leuten, wo’s immer picobello ist und wo es eigentlich mehr nach Ajax als nach was anderem riecht.“

Wer eine Wohnung oder ein Haus betritt, nimmt bestimmte Gerüche wahr: etwa von Gewürzen, Pflanzen oder in der Advents- und Weihnachtszeit von gebackenen Plätzchen oder echten Bienenwachskerzen. Bei Menschen, deren Wohnung immer äußerst sauber und ordentlich, picobello, ist, weht uns schon mal der Duft von Ajax, einem Haushaltsreiniger, um die Nase. Aber auch bei der Wahrnehmung unserer Mitmenschen spielt der Geruch eine nicht unbedeutende Rolle, wie sich bei einer Straßenbefragung herausstellt:

„Wenn einer für mich unangenehm duftet, dann ist mir der auf den ersten Anblick auch unsympathisch. / Also ich hab gerne Düfte. Also, darf nicht übertrieben sein. Mein Mann, der benutzt das auch. Und ‘n gutes Rasierwasser. / Männerparfüms zum einen finde ich interessant. Aber, was vielleicht noch interessanter ist, ist der Grundgeruch und, es gibt ja den Spruch ‚jemanden nicht riechen können‘, und der ist recht reell.“

Ob ich jemanden sympathisch finde, hängt auch von seinem Geruch ab. Jeder hat, wie die eine Passantin meint, einen eigenen Geruch, einen Grundgeruch. Und wenn man jemanden nicht riechen kann, ist das für sie reell, wirklich so. Die Wendung ist nicht nur wörtlich zu nehmen. Im übertragenen Sinn bedeutet sie, dass man eine Person nicht mag, sie nicht leiden kann. Wenn ich also meinen Nachbarn nicht riechen kann, liegt das eher an seinen schlechten Umgangsformen, seiner Unfreundlichkeit oder seinen politischen Ansichten als ausschließlich an seinem Körpergeruch. Auch nicht auf den Körpergeruch bezieht sich das Attribut „dufte“:

„‘n dufter Typ ist ein interessanter Typ, ja interessant, modern. Mit gut riechen würde ich das jetzt weniger verbinden.“

„dufte“, ein ursprünglich aus dem Berliner Dialekt stammendes Wort, drückt aus, dass etwas total super ist, etwas oder jemand einem sehr gut gefällt. Es gibt „dufte Typen“, man kann „dufte Ferien“ verbringen oder ein Musikstück einfach „dufte“ finden. Also: Auch die Welt der Gerüche hat sehr viel zu bieten. Das hat uns nicht zuletzt Patrick Süskinds Roman sehr deutlich gemacht.

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