Manuskript

Elternzeit für Väter

Als Mutter muss man sich oftmals zwischen Kind und Karriere entscheiden. Aber auch viele arbeitende Väter wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, sie in ihrem Alltag begleiten und nicht nur am Wochenende für die Kleinen da sein. Doch bei manchen Arbeitgebern wird die Elternzeit bei Vätern nicht gern gesehen. Jörg Asmussen, ehemaliger Spitzenökonom im Direktorium der Europäischen Zentralbank, riskierte seine Karriere, als er seinen stressigen Job aufgab, um mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen zu können.

JÖRG ASMUSSEN (Ökonom):
Selber Zeit mit meinen Kindern verbringen, das war der Ansatzpunkt dafür. Und zwar im normalen Alltag, nicht irgendwann Freitagabend ankommen und Sonntagmittag wieder los, sondern ganz normal, wenn die morgens in die Kita gehen oder heute in die Schule gehen, dass man am Alltag einfach teilhat.

VATER (ANONYM):
Ich hätte gerne auch ein Jahr Elternzeit gemacht, also die Mutter ein Jahr, ich ein Jahr, vielleicht noch, bis meine Tochter in die Schule kommt, dann durchaus in Teilzeit.

SPRECHERIN:
Doch sein Chef war dagegen. Den fürchtet er immer noch, deshalb möchte er nicht erkannt werden. Zwei Väter in Deutschland und ihre Erfahrungen mit Kind und Karriere: Jörg Asmussen ist deutschlandweit bekannt – ein Spitzenökonom, politisch vernetzt. Der Sozialdemokrat war Staatssekretär und galt als einer der wichtigsten Beamten in der Finanzkrise. Anschließend stieg er auf ins Direktorium der Europäischen Zentralbank. Und dann?

JÖRG ASMUSSEN (Vater von zwei Töchtern):
Ich wäre gerne bei der EZB geblieben, es war einfach eine tolle Aufgabe, Geldpolitik für ganz Europa zu machen. Es hat bei der EZB auch sehr viel Verständnis und Hilfe gegeben. Das war nur mit dem einen Hauptquartier Frankfurt für die Eurozone und dem damit verbundenen faktischen Pendeln … war das nicht zu wollen, mit den damals noch sehr kleinen Kindern.

SPRECHERIN:
Sein Abgang: eine Entscheidung, die für Aufsehen sorgte ...

JÖRG ASMUSSEN:
Ich war überrascht, was für eine Welle von Mails und Post es gab. Und das war ein ganz breites Spektrum, ja?! Zwischen: Du bist Vorbild und du bist Vollidiot.

SPRECHERIN:
Kleinkinder, betreut von ihren Vätern: Aktive Vaterschaft, das wünschen sich in Deutschland immer mehr Männer, doch nicht selten stoßen sie auf Vorurteile und Widerstand beim Arbeitgeber. Er zum Beispiel wollte sich um seine Tochter kümmern, als sie klein war. Doch der Versicherungsvertreter hatte Pech: den falschen Chef für solche Ideen.

VATER (ANONYM):
Unser Chef hat es abgelehnt und da auch ziemlich übel drüber hergezogen: Keine richtigen Männer, um Kinder kümmern sich ja Frauen, da können sie auch Strumpfhosen anziehen. Alles sowas, also richtig abwertend. Nach dem Motto: Der Mann ist dann ein Weichei, wenn er sich ums Kind kümmert. Das waren so wirklich gusseiserne Vorstellungen, die irgendwo noch aus dem letzten Jahrtausend stammen, die eigentlich nicht mehr in die heutige Zeit passen. Hat mir aber trotzdem nichts geholfen.

SPRECHERIN:
Am Ende zählt das sichere Einkommen für die Familie.

VATER (ANONYM):
Den Job wechseln? Die Möglichkeit hat nicht jeder. Auch bei mir war es in dem Fall nicht möglich. Ne Abteilung wechseln? Auch schwierig. Es ist einem nichts damit gedient, wenn man seine Elternzeit nimmt, aber damit dann in zukünftigen Jahren Repressalien hat.

SPRECHER:
Und die Karriere des Spitzenökonoms? Von der EZB wechselte er nach Berlin ins Bundesarbeitsministerium. Doch der nächste Karriereschritt misslang – zu einer der führenden Förderbanken weltweit, der KfW. Streitpunkt: Vereinbarkeit mit der Familie.

JÖRG ASMUSSEN:
Dass das KfW-Ding nicht geklappt hat, das ist ganz sicher ein Karriereknick, danach musste man neu anfangen. Ich kann sagen, ich persönlich war da frustriert, ja. Aber da muss man auch drüberhinweggucken und neue Dinge machen. Ich hab einen neuen guten Job gefunden und 'nen guten Arbeitgeber, der von vornherein wusste: Ok, der meint das wirklich ernst, […] Als ich dann sagte: „Pass auf, Berlin ist wichtig für mich wegen der Kinder“, sagten die gleich: „Ja, das haben wir bei Ihnen schon verstanden, ja.“

Ich glaube, dass es leichter ist, ich sag mal, seine Kinderbetreuungsaufgabe auch wahrzunehmen, wenn man in der Hierarchie schon relativ weit oben ist. Dann gilt das inzwischen ein bisschen als schick. Aber das ist eben nicht flächendeckend. Die Frage ist: Kriegen wir das für alle vernünftig so hin

SPRECHER:
Er war nicht oben in der Hierarchie, kam im entscheidenden Moment nicht an seinem Chef vorbei.

VATER (ANONYM):
Also, ich bedauere es für mich auf jeden Fall. Das ist eine Zeit, die nicht zurückzubringen ist, ich kann es auch nicht mehr nachholen. Es fehlt einfach ein Stück was im Leben. Und ich gönn das wirklich jedem Vater heute, der das erleben kann und die Zeit aufwendet, sich für seine Kinder zu engagieren.

SPRECHER:
Er war, wie die meisten Väter, nur am Wochenende präsent.

Viele junge Väter heute aber nehmen sich die Zeit – am ehesten die, die sich das beruflich erlauben können wie diese Ärzte, Wissenschaftler und IT-Experten. Bei gefragten Berufen gelingt nach der Erziehungspause der Wiedereinstieg besser. 

JÖRG ASMUSSEN:
Ich wünsche mir einfach, dass das normal wird, das gilt für Männer wie für Frauen. Dass es nicht als was Besonderes angesehen wird, das will so, das ist Teil dessen, wie wir leben, wie wir arbeiten und dass das wenn meine Töchter groß sind, dass das völlig normal ist, dass man eben arbeitet und seine Kinder genauso auch großzieht.

SPRECHER:
In Deutschland nehmen sich Väter derzeit im Durchschnitt 3 Monate Elternzeit, Mütter 13 Monate.  

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