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Volkskrankheiten: Allergien

Ob Pollen, Tierhaare oder Hausstaub – viele Menschen reagieren auf bestimmte Stoffe allergisch. Dann tränen die Augen, der Gaumen juckt und der Hals schwillt an. Ein Allheilmittel gibt es bislang nicht.


Rund 30 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Allergien, unter Überempfindlichkeiten gegenüber körperfremden Stoffen, sogenannten Allergenen. Das können etwa Haare von Tieren wie Hunden und Katzen sein, Hausstaubpartikel oder Pollen, also Blütenstaub von Bäumen, Sträuchern, Gräsern oder Kräutern. Das Immunsystem reagiert auf diese eigentlich harmlosen Stoffe und wehrt sich. Das führt dann zu unangenehmen Symptomen, die von tränenden Augen bis zu Asthmaanfällen reichen können. Wer zum ersten Mal mit solchen Symptomen konfrontiert wird, denkt nicht direkt an eine Allergie:

„Ich war ziemlich baff, als ich das das erste Mal gemerkt hab. Ich hatte nämlich tierischen Schnupfen. Die Augen haben mir getränt. Ich bin dann halt zu meinem Arzt gegangen, der dann rausgefunden hat, dass diese Allergie halt ’ne Katzenallergie war. Jetzt sitze ich ’n bisschen in der Bredouille, weil ich nicht weiß, was ich machen soll, weil ich hänge so sehr an diesem Tier. Ich will’s nicht weggeben, aber wenn wir nichts finden, dann muss ich mich leider von ihr trennen.“

Mancher, der anfangs nur von einem sehr schlimmen, tierischen, Schnupfen ausgeht, muss oft nach einem Gespräch mit einem Arzt feststellen, dass es sich doch um eine Allergie handelt. Er ist baff, erstaunt und sprachlos. Wer ein Haustier besitzt und auf dessen Haare allergisch reagiert, ist in der Bredouille, gerät in Bedrängnis. Denn die Besitzer sind emotional stark an ihr Tier gebunden, hängen an ihm.

Auch wer Symptome einer Nahrungsmittelunverträglichkeit aufweist, denkt zunächst nicht darüber nach, dass es sich um eine Allergie handelt, wie es bei diesen beiden Allergikern der Fall war:

„Ich habe am letzten Wochenende ’n wunderbares Essen genossen: Spaghetti Vongole, also Nudeln mit Muscheln. Und zwei, drei Stunden später auf einmal musste ich mich dann übergeben. Und zunächst war natürlich unklar, woran es gelegen hat, aber bei einem Gespräch mit meiner Schwester stellte sich heraus, dass sie eine Muscheleiweißallergie hat. / Sobald ich in einen rohen Apfel beiße, schwillt mir der Hals von innen zu, ich bekomme Atemnot, keine Luft mehr. Das ging so weit, dass ich schon den Notarzt kommen lassen musste. Und seitdem mache ich halt einen ganz, ganz großen Bogen um Äpfel.“

Menschen, die feststellen, dass sie bestimmte Nahrungsmittel nicht vertragen, meiden sie, machen einen großen Bogen darum. Häufig handelt es sich um eine sogenannte Kreuzallergie. Auslöser ist in der Regel ein bestimmtes Hauptallergen, das in unterschiedlichen Allergenquellen vorkommt. Wer bestimmte Obst-, Nuss- und Gemüsesorten nicht verträgt, reagiert auch allergisch auf zum Beispiel Birkenpollen; ähnlich sieht es bei Gräsern einerseits und Hülsenfrüchten andererseits aus. Wenn es eine allergische Reaktion gibt, dann kann es sein, dass jemand erbricht, sich übergibt, oder so große Luftnot bis hin zu Asthmaanfällen bekommt, dass er einen Notarzt anrufen muss, um sofort ins Krankenhaus gebracht zu werden.

Die Allergie, unter der etwa die Hälfte aller Allergiker in Deutschland leidet, ist der Heuschnupfen. Verursacher sind Pollen beziehungsweise Blütenstaub von Pflanzen, die nicht durch Insekten, sondern durch den Wind bestäubt werden. Ist ein Winter mild, fliegen die ersten Pollen bereits im Februar, wenn die ersten Bäume oder Sträucher anfangen zu blühen. Die Symptome können heftig sein:

„Dann kann ich nicht mehr aus den Augen gucken, alles juckt, also nicht nur die Nase und der Gaumen und die Augen, sondern auch die Ohren und der Hals, und ich bekomme keine Luft, Niesanfälle, bis zu 50 Niesattacken. Und ich sehe aus wie ’n Zombie, ganz unangenehm. Man kann sich in der Öffentlichkeit manchmal gar nicht blicken lassen.“

Die Nase läuft, man muss ständig niesen, hat regelrechte Attacken, plötzliche und mehrere hintereinander auftretende Anfälle; Mund und Rachen brennen und jucken wie auch die Gehörgänge des Ohres. Die Augen sind gerötet, jucken und tränen. Mancher fühlt sich wie ein Zombie, eine zum Leben erweckte Leiche, die anderen Angst einjagt. Ein Allheilmittel für Allergien gibt es bis heute nicht, dafür aber jede Menge unterschiedlicher Therapien wie etwa eine Desensibilisierung oder Behandlung mit pflanzlichen Mitteln. Die klassische Schulmedizin setzt auf unterschiedliche Medikamente, allen voran Cortison. Doch auch das hilft nicht immer:

„Als ich medikamentös gut eingestellt war, dachte ich, ich hab das Problem wahrscheinlich doch gar nicht mehr, dass ich Heuschnupfen habe, alles war wunderbar. Im Juli habe ich dann die Medikamente etwas reduziert, es ging dann auch sehr schnell wieder los, dass ich Asthmaanfälle hatte.“

Obwohl die Patientin zunächst beschwerdefrei war, weil sie die richtige Dosis Cortison erhielt, gut eingestellt war, traten die Symptome doch relativ schnell wieder auf, als sie die Dosis verringerte.

Allergien haben sich inzwischen zu einer Volkskrankheit entwickelt. Forscher vermuten, dass unter anderem Umweltgifte dafür verantwortlich sind, aber auch die Tatsache, dass Kinder heutzutage weniger in Kontakt mit Keimen kommen als früher. Denn dieser Kontakt stärkt das Immunsystem. Die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) verlangte in ihrem 2018 veröffentlichten vierten „Weißbuch Allergie“, dass die Gesundheitspolitiker dem Thema mehr Gewicht geben sollten. Denn nur etwa zehn Prozent der Betroffenen erhielten eine adäquate Therapie – unter anderem auch, weil viele Ärzte nicht in Allergologie ausgebildet seien. Im Medizinstudium sei es weder Pflicht- noch Prüfungsfach. Wird eine Allergie jedoch frühzeitig diagnostiziert und adäquat behandelt, so die Allergieexperten, ist sie manchmal heilbar. Für die Betroffenen wäre das wünschenswert. Denn die meisten haben genug davon, wollen einfach nicht mehr, oder wie es dieser Allergiker formuliert:

„Ich hab im wahrsten Sinne des Wortes die Nase voll.“

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