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Manuskript

Bal Folk: Keiner tanzt allein

Sie sind etwas für Jung und Alt: folkloristische Gesellschaftstänze zu Livemusik. Jeder kann mitmachen, die Schritte sind leicht zu lernen – und man braucht keinen festen Tanzpartner.


Sobald die Musik zum Reihentanz  „An-dro“ erklingt, bewegen sich über 100 Leute Hand in Hand in einer langen Kette seitwärts übers Parkett und drehen sich dabei immer wieder schneckenförmig in- und auseinander. Der Bal Folk, ein folkloristischer Tanzabend, hat viele Anhänger*, darunter auch die Mittzwanzigerin Lena:

„Es ist halt so ’n Typ Tanz. Wenn es einem beim ersten Mal gefällt, bleibt man dabei. Also, es ist vielleicht nicht gerade ’ne Sucht, aber es ist ein sehr, sehr angenehmes Klima. Man fühlt sich furchtbar wohl, wenn einem die Musik gefällt, und ich bin einfach dabei geblieben.“

Mit 18 Jahren lernte Lena Bal Folk in ihrer Heimat Sachsen kennen. Dort gibt es – wie in einigen weiteren Bundesländern – regionale Bal Folk-Gruppen. Als Studentin organisierte sie später zusammen mit einer Kommilitonin in einem Bochumer Studentenwohnheim Bal Folk-Veranstaltungen, zu denen immer mehr Studierende kamen. Der Begriff „Bal Folk“ setzt sich zusammen aus dem französischen Wort für „Tanzveranstaltung, Ball“ und dem englischen Begriff „Folk“ für „Volk“. Beim Folk werden traditionelle Musikstücke eines Landes rhythmisch und melodisch neu arrangiert und auf besonderen Instrumenten gespielt. 

Die Grundtänze, zu denen während eines Abends getanzt wird, tragen für Außenstehende so ungewöhnliche Namen wie Mazurka, Bourrée, An-dro und Fröhlicher Kreis. Oft wird das Tanzbein auch zur schwedischen Polska, zum Zwiefacher oder Menuett geschwungen. Schon vor Jahrhunderten waren diese Tänze in verschiedenen Ländern Europas sehr populär, denn vom Grundschritt her sind sie so einfach, dass jeder sie sofort mittanzen kann.

Begeisterte Anhänger hat Bal Folk nicht nur in Deutschland, sondern auch anderswo. In den Niederlanden heißen die Volkstanzbälle „Bals“, in der Bretagne „Fest-Noz“, in Belgien „Boom Bal“. Im Gegensatz zu Tanzabenden, auf denen Standard und Latein getanzt wird, braucht man beim Bal Folk keinen festen Tanzpartner mitzubringen.  Fabian aus Köln findet das sehr gut:

„Es gibt einfach in unserer Gesellschaft gar nicht mehr so viele Momente eigentlich, wo man mit anderen Menschen, die man nicht unbedingt vorher kennt, wirklich ja auch Berührungskontakt hat, ohne dass es irgendwie anzüglich ist, oder so. Hier bei den Gruppentänzen tanzt man zehn, 20 Sekunden immer mit unterschiedlichen Leuten, die man vorher noch nie gesehen hat. Und das finde ich was total Schönes. Es wird keiner ausgeschlossen. Es geht nicht darum, was man anhat oder wie man aussieht oder was man irgendwie kann oder nicht kann, sondern es ist was Offenes für alle, die auch zum ersten Mal dazustoßen.“

Das Zwanglose beim Bal Folk gefällt Fabian besonders gut. Selbst als Neuling, als jemand, der zum ersten Mal kommt, dazustößt, wird man vorbehaltlos empfangen. Weil bei mehreren Tänzen sowieso alle paar Takte ein Partnerwechsel stattfindet, lernt man im Laufe eines Tanzabends beinahe alle anderen Teilnehmer kennen, hat Berührungskontakt. Als anzüglich, unanständig, wird das nicht empfunden, weil es einfach dazugehört. An einer Tanzveranstaltung können schon mal ein paar 100 Leute teilnehmen. Im Laufe des Abends entsteht dann eine geradezu familiäre Atmosphäre im Ballsaal oder Festzelt.

Eine wunderbare Erfahrung ist für viele auch, dass Bal Folk eine generationsübergreifende Veranstaltung ist. Hier ist es nicht ungewöhnlich, dass Männer Ende 20 mit Damen tanzen, die ihre Großmütter sein könnten. Johannes aus Köln freut sich darüber, dass zunehmend auch junge Leute Gefallen an Bal Folk und dessen Musik finden:

„Ich bin schon seit fast 30 Jahren bei dieser Musik und hatte lange Jahre das Gefühl, dass wir alle gemeinsam alt werden in dieser Folkszene. Das ist glücklicherweise anders geworden. Ich denke vor allen Dingen, dass es auch jetzt viele junge Leute gibt, die diese Musik machen. Das zieht auch junges Publikum dazu, die dann eben auch erleben, dass es so Spaß macht. Und dass es eben auch Spaß macht, altersübergreifend was gemeinsam zu machen, gemeinsam zu tanzen.“

Für Neulinge kann es allerdings manchmal schon befremdlich sein, wenn Männer in Jeans oder Cordhosen um Frauen herumtanzen, die fast alle Röcke oder Kleider tragen. Schon bald überträgt sich aber der Spaß an der Sache und das viele Lachen auf alle im Raum. Die gute Stimmung entsteht auch dadurch, dass die Musik zum Tanz grundsätzlich live ist. Die Bands spielen mit einer mittelalterlichen Drehleier oder einem Dudelsack. Aber auch Violine, Akkordeon, Harfe, Flöte und Klarinette oder die schwedische Schlüsselfidel Nyckelharpa sind Standardinstrumente. Für Matthias, der selbst Dudelsack spielt, macht gerade das den Reiz der Bal Folk-Veranstaltungen aus:

„Anfangs war das Interesse für traditionelle Musik, für alte Musik da. Aber für mich ist es eben auch ’ne Alternative zur Disko. Ich geh nicht mehr gern in die Disko, ich tanz aber gerne und kann mir mittlerweile auch nicht mehr vorstellen, zu Musik vom Band zu tanzen. Für mich ist einfach der Luxus, zu Livemusik zu tanzen, Alltag geworden.“

Matthias ging früher gern in die Disko, wo ein DJ Musik abspielt. Sie kommt vom Band. Dass es jetzt Musiker gibt, die live spielen, empfindet er als Luxus, als etwas Besonderes.

Liebhaber des Bal Folk reisen oftmals quer durch Deutschland, um die Volkstanzabende zu erleben. Zu den Höhepunkten gehören sicher auch Festivals im Ausland wie beispielsweise der Grand Bal d’Europe in der südostfranzösischen Gemeinde Gennetines oder das Boombal Festival im belgischen Lovendegem. Für viele junge Leute sind die völkerverbindenden Tänze mit Livemusik ein schöner Ausgleich in der sonst eher digitalisierten, anonymisierten Gesellschaft. Notwendig sind nur bequeme Kleidung, ein Paar Tanz- oder Turnschuhe und jede Menge Spaß am Tanzen in zwangloser Atmosphäre.

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