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Manuskript

Naumburgs schöne Gräfin

Wenn im Kreuzworträtsel nach einer Domfigur mit drei Buchstaben gefragt wird, ist „Uta“ die richtige Lösung. Die Steinstatue der Markgräfin steht im Naumburger Dom in Sachsen-Anhalt. Wer war sie? Wer war ihr Schöpfer?
 

Stumm und doch sehr lebendig schaut sie dem Besucher des Naumburger Doms aus vier Metern Höhe entgegen: Die lebensgroße Steinskulptur von Uta, der Markgräfin von Ballenstedt, einer Stadt im Harz. Neben ihr stehen Ekkehard II., ihr Gatte, und zehn weitere Familienangehörige. Ekkehard und sein Bruder gelten als Stifter des heute noch erhaltenen Kirchenbaus. Doch wer war sie, die geheimnisvolle Markgräfin? Eine Stadtführerin lässt sie in entsprechender Kleidung der damaligen Zeit für Touristen lebendig werden:

„Viel weiß man eigentlich nicht aus meinem Leben, weil es gibt keine wirklichen Überlieferungen, außer dass ich 46 Jahre alt geworden bin und aus Ballenstedt komm'. Das ist so das Einzige, was man wirklich weiß – und kinderlos war und dass mein Mann Ekkehard II. war. Das ist das, was überliefert ist. Entweder sind die Aufzeichnungen, die man hatte, bei Bränden verloren gegangen, oder vielleicht hat es auch überhaupt keine Aufzeichnungen gegeben. Also, das ist alles sehr vage.“

Wie Uta gelebt hat, wie sie wirklich ausgesehen hat – das ist weitgehend unbekannt. Es gibt kaum Schriftstücke, Aufzeichnungen, die an die folgenden Generationen überliefert, weitergegeben wurden. Deshalb ist das, was man von ihr weiß, sehr ungenau, sehr vage. Es gibt viele Legenden zu ihr. Als sie und ihre Familienmitglieder in Stein gemeißelt wurden, war sie schon 200 Jahre tot. Die Markgräfin lebte – so genau weiß man es nicht – etwa von 1000 bis 1046. An Utas Schönheit besteht dennoch kein Zweifel. Historiker bezeichnen sie anhand der Skulptur im Westchor des Doms sogar als die schönste Frau des Mittelalters. Der italienische Schriftsteller Umberto Eco offenbarte einmal, er wäre gerne mit ihr ausgegangen. Nur wer war ihr Schöpfer?

„Ich weiß ja noch nicht einmal seinen Namen. Ich weiß auch nicht, wo er herkommt, wo er gewohnt hat, wo er gestorben ist. Ich weiß es einfach nicht. Aber ich weiß, dass er wohl in Nordfrankreich gewesen ist, weil ja dort wunderbare gotische Kirchen entstanden sind, ebend auch mit diesen wunderbaren Figurengruppen. Das war ja der Beginn und dort hatte er gearbeitet, ja und dann diese Vollendung hier im Naumburger Dom geschaffen. Und er war vor allen Dingen – das weiß ich allerdings sehr genau – in Mainz und von Mainz ist er hierher nach Naumburg gekommen und ist von hier aus weiter nach Meißen gegangen.“

Wissenschaftler gehen anhand von Vergleichen mit anderen Werken davon aus, dass es sich nicht um einen einzigen Künstler handelt, der das Gesamtkunstwerk im Naumburger Dom geschaffen hat. Stattdessen werden mehrere Steinmetze unter der Leitung eines Meisters gearbeitet haben. Sie wurden zunächst zur Blütezeit der Hochgotik, einer europäischen Stilepoche etwa zwischen 1200 und 1350, in Nordfrankreich ausgebildet. Der Stil des unbekannten Meisters, Personen dreidimensional darzustellen, war für damalige Verhältnisse sensationell. An einigen französischen Kathedralen findet sich dieser Stil wieder. Auch die berühmten Plastiken des Meißner Domes stammen vermutlich vom unbekannten Naumburger Meister. In der sächsischen Stadt verlieren sich um 1250 seine Spuren. Für die Stadtführerin stellt der Naumburger Dom die Vollendung der Steinmetzkunst, etwas wirklich Perfektes, dar – wie auch für Domführer Henry Mill:

„Aus dem Block werden Figuren herausgeholt. Sie werden tief herausgearbeitet. Und sie scheinen quasi autonom zu sein. Sie scheinen aus dem Stein herauszukommen, gar nicht mehr dazu zu gehören. Das ist der Trick. Besonders zu sehen an den Gliedmaßen, die sich zu bewegen scheinen. Die Köpfe ragen sogar über die Fugen der einzelnen Gesteinsblöcke hinaus. Dadurch wird Lebendigkeit und Autonomie der einzelnen Figuren vermittelt. Die Tracht, das Verhalten, Bewegungen des Hochadels dieser Zeit. Fromme Gläubige, die gestiftet haben, Vermögen der Kirche gegeben haben und durch die Kirche manifestiert, in Erinnerung bleiben.“

Die Figuren wirken beinahe lebendig. Sie vermitteln einen Eindruck von der Kleidung – der Tracht – und der Lebensweise des Hochadels. Für die Nachwelt wurden die, die der Kirche Geld spendeten, es stifteten, in Stein verewigt. Auf dem Weg in den Westchor des Naumburger Doms geht der Besucher durch ein steinernes Tor, den sogenannten „Lettner“. Auch hier hat der unbekannte Meister Akzente gesetzt: Zu sehen ist Jesus ans Kreuz geschlagen, unendliches Leid im Gesicht, daneben weint seine Mutter Maria. Das Besondere: Das Kruzifix ist nicht unerreichbar, oben im Kirchengewölbe, für den Besucher angebracht, sondern fast auf Augenhöhe. Es soll, so deuten es Kirchenhistoriker, den Mensch gewordenen Sohn Gottes charakterisieren – mit all seinem Leid und seinem Schmerz. Ganz bewusst schufen die Baumeister damals plastische und lebensnah wirkende Figuren und nicht, wie bis dahin üblich, zweidimensionale Abbildungen:

„Eine Thematik ist es, die religiösen Veränderungen dieser Zeit darzulegen. In der Romanik war Christus der Herrschende, Triumphierende dargestellt. Aber mit der Gotik kam der Wandel: Jesus Christus erschien als Mensch. Der Mensch selbst erschien als Individuum.“

In der Romanik, der Stilepoche etwa zwischen 1000 und 1200, wurden Menschen meist ohne individuelle Züge dargestellt. Im Jahr 2011 beschäftigte sich eine große Ausstellung in und um Naumburg mit diesen Veränderungen in der Religiosität und mit dem Einfluss, den der unbekannte Naumburger Meister auf die deutsche Kirchenarchitektur hatte. Wer er war, konnte jedoch auch die Ausstellung nicht klären.

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