Manuskript

Helle Nächte in der Stadt

Großstädte in Dunkelheit? Unvorstellbar. Starke Beleuchtung sorgt dafür, dass es dort auch nachts nicht wirklich dunkel wird. Wissenschaftler sprechen von Lichtverschmutzung – mit Konsequenzen für Mensch und Natur.

Romantiker haben es schwer in deutschen Großstädten. Während sie auf dem Land bei gutem Wetter auch einen Sternenhimmel sehen, kann das in großen Städten sehr schwierig sein. Das liegt daran, dass das Licht der Städte die Sterne schlichtweg überstrahlt. Forscher nennen dieses Phänomen „Lichtverschmutzung“. Dabei empfinden wir Licht zunächst einmal als etwas Positives und nicht als etwas Unangenehmes. Eine geschichtliche Epoche, die der Aufklärung, ist mit Licht verbunden. Die Menschen in Europa und Nordamerika sollten unter anderem von der Kraft der Vernunft überzeugt, „erleuchtet“, werden. In der Philosophie, der Religion oder der Literatur ist Licht mit Erleuchtung verbunden, mit Wahrheit, mit Vernunft. Bei der Nacht sieht das anders aus, sagt die Historikerin Ute Hasenöhrl:

„Im Gegensatz dazu ist die Nacht – also Dunkelheit, Finsternis – weitgehend negativ besetzt, steht zum Beispiel für Armut, Gefahr oder auch Verbrechen.“

Während Menschen mit Licht positive Eigenschaften verbinden, ist das bei der Nacht anders. Sie steht für negative Eigenschaften, wird mit ihnen in Verbindung gebracht. Sie ist negativ besetzt. Ute Hasenöhrl befasst sich seit vielen Jahren mit dem Thema Licht und Dunkelheit. So erforschte sie unter anderem, welche Ursachen und Folgen die künstliche Beleuchtung vor allem in Großstädten auf Menschen hat. Denn Leuchtreklame, Straßenlaternen und starke Beleuchtung sorgen dafür, dass es nie richtig dunkel ist, sondern eine Dauerdämmerung herrscht. Dabei gab es Zeiten, in denen Licht ein Instrument der „sozialen Distinktion“ war, etwas, wodurch sich die Reichen von den Armen unterscheiden konnten. Heute kann man sich durch Licht nicht mehr abgrenzen. Licht kann sich jeder leisten. Das 19. Jahrhundert brachte eine Art Beleuchtungsrevolution. Ab den 1920er-Jahren erobert das elektrische Licht den Markt. Licht war nun Symbol für Moderne und Fortschritt – aber nicht für alle, wie Ute Hasenöhrl erklärt:

„Es gab ja da schon mal eine erste Kritikwelle in den 1920er-Jahren, die sich gegen Leuchtreklame gerichtet hat. Und in den letzen Jahren kam die Kritik verstärkt von Astronomen, die die Sichtbarkeit des Sternenhimmels als menschliches Recht einfordern.“

Manche Astronomen, also Wissenschaftler, die sich mit der Beobachtung und Erforschung von Sternen befassen, stehen laut Ute Hasenöhrl auf dem Standpunkt, dass es ein menschliches Recht ist, den Himmel sehen zu können. 1988 entstand in den USA die „International Dark Sky Association“ (IDA), eine Vereinigung von Astronomen, die aktiv über „Lichtverschmutzung“ aufklärt und gegen sie kämpft. Denn vor allem in den Großstädten erscheint Licht als Schmutz. Es strahlt nicht nur Gebäude, Straßen und Werbebotschaften an, sondern auch Moleküle und Staubpartikel in der Atmosphäre. Sie brechen das Licht. Und das führt wie der Astronom Andreas Hänel von Dark Sky Deutschland am Beispiel Berlins erläutert zu Folgendem:

„Zum Beispiel Berlin, was ja in ‘nem relativ dunklen Umfeld liegt, da kann man die Lichterglocke von Berlin – die sieht man noch 70, 80 Kilometer außerhalb der Stadt.“

Großstädte sind so hell beleuchtet, dass es aus einiger Entfernung so aussieht, als ob sie unter einer Lichterglocke liegen, rundherum von Licht umgeben sind. Wissenschaftler wie Andreas Hänel untersuchen laufend, wie hell die Nächte in Deutschland tatsächlich geworden sind. Und dabei haben sie etwas festgestellt, wie Andreas Hänel erläutert:

„Wir haben aber auch eben indirekte Untersuchungen gemacht, indem wir zum Beispiel eben den Stromverbrauch für Licht analysiert haben. Und von da aus schätzen wir ab, dass es in Deutschland eben die Lichtmenge und damit auch die Menge, die eben ungenutzt an den Himmel geht, um ein bis zwei Prozent pro Jahr zunimmt.“

Um herauszufinden, wie sich die Lichtmenge im Laufe der Jahre entwickelt hat, untersuchten die Wissenschaftler auch, wie hoch der Stromverbrauch für Licht in einer Stadt ist. Dabei fiel ihnen auf, dass sehr viel Energie verschwendet wird, ungenutzt in den Himmel geht. Statt an der Beleuchtung zu sparen, sie zu reduzieren, wird immer noch mehr Licht verbraucht – unter anderem auch durch besondere Veranstaltungen. Es werden lange Nächte der Wissenschaft, der Museen, der Industrie veranstaltet. Fassaden, Denkmäler und Bauwerke werden die ganze Nacht hindurch angestrahlt. Wenn aber die Grenzen zwischen Tag und Nacht verschwimmen, hat das Folgen für die Natur. So sind Zugvögel irritiert, ihr Biorhythmus gerät durcheinander, Pflanzen wachsen unkontrolliert und Insekten sterben in Laternen. Weil Großstädter so sehr an künstliches Licht gewöhnt sind, wissen manche gar nicht, wie ein Sternenhimmel aussieht. Solange, bis das wieder möglich ist, müssen Romantiker entweder ins Planetarium fahren oder in einen Sternenpark. Bis jetzt gilt es als modern, die Nacht zu erleuchten. Mittlerweile wäre es vielleicht fortschrittlicher, das Licht wieder öfter auszuschalten.

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