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Humortraining

Deutsche und Humor? Zwei Begriffe, die nicht unbedingt zueinander passen, am Arbeitsplatz schon mal gar nicht. Doch humorvolles Verhalten entspannt manche kritische Situation. Im Humortraining kann das gelernt werden.

Deutsche gelten als arbeitsam, zuverlässig und fleißig, aber nicht unbedingt als humorvoll. So lautet zumindest das Vorurteil, das Klischee. Aber an einem Klischee haftet ja immer auch ein kleines bisschen Wahrheit. Das Vorurteil gegen die Deutschen soll sich ändern: Sie wollen lachen und das nicht nur in ihrer Freizeit, sondern auch an ihrem Arbeitsplatz – aber nicht allein, um ein bisschen mehr Spaß zu haben. Studien haben ergeben, dass humorvolle Mitarbeiter effizienter arbeiten, weil sie nicht alles auf die Waagschale legen und problematische Situationen leichter meistern. Daher schicken immer mehr Firmen ihre Mitarbeiter zu so genannten Humortrainings. Ein solches Training bietet das Deutsche Institut für Humor in Leipzig. Zum Auftakt eines Kurses dürfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zunächst auswählen, worüber sie lachen wollen:

„Wir möchten jetzt von Ihnen eine kurze Einführung. Dürfen Sie sich aussuchen, ob sie ‘ne Vorliebe nehmen oder ‘ne Macke, weil ich bin so hektisch, dass schon Buddha angerufen hat, gesagt hat: ‚Mach mal langsam!‘ Erst mal kreativen Müll produzieren.“

Die Trainerin schlägt vor, dass sich jeder eine Vorliebe heraussucht, etwas was er oder sie besonders gerne mag, beziehungsweise eine Macke, eine Eigenart, die anderen etwas seltsam vorkommt. Und dann soll jeder loslegen und kreativen Müll produzieren, sich überlegen, wie er oder sie sich über sich selbst lustig machen könnte. Kaum gesagt, fangen die Teilnehmer auch schon an. Die beiden Trainerinnen geben eigene Beispiele. Sie agieren wie früher die Narren am Hofe von Fürsten und Königen:

„Wir führen uns als Trainer immer gern als ‚Hofnarren‘ ein, also weniger als Lehrer, sondern als zwei, die gut unterhalten, die inspirieren, die neugierig machen, die genauer draufgucken, ja die mal ‘nen Spiegel vorhalten.“

Die 17 Teilnehmerinnen und Teilnehmer lassen sich hier in entspannter Runde im kleinen Seminarraum eines Leipziger Hotels sehr gern einen Spiegel vorhalten. Wie verhält man sich eigentlich als Arzt, Pädagogin oder Abteilungsleiter eines Großunternehmens? Um das zu erfahren sind die meisten extra angereist: vom Tegernsee, aus Bonn, Hamburg und Berlin. Zum Beispiel der 47-jährige Ralf, der sich auf humorvolle Art so vorstellt:

„Projektmanager bei einem großen deutschen Unternehmen für individuelle Briefmarken.“

Individuelle Briefmarken! Im Alltag scheint er ein lustiger Typ zu sein, dieser Ralf – denn er arbeitet bei der Deutschen Post, die unter anderem Briefmarken verkauft. Aber wie sieht es in seinem Berufsleben aus?

„Es ist mit Sicherheit da noch ‘n hoher Optimierungsbedarf. Würd’ ich jetzt nicht auf Briefmarkenunternehmen beziehen, sondern auf alle große Unternehmen: dass das alles sehr strukturiert abläuft, und dass an der ein oder anderen Stelle – glaub’ ich – auch mit Humor Arbeitsergebnisse optimiert werden können, weil es einfach lockerer aus den Leuten raus kommt.“

Ralf stellt fest, dass es nicht nur bei der Deutschen Post, sondern in allen großen Unternehmen nicht sehr humorvoll zugeht, dass da noch viel Optimierungsbedarf besteht, Dinge verbessert werden können. Denn, kommt etwas lockerer aus Leuten raus, wird etwas humorvoll gesagt, werde manche Kritik nicht unbedingt als Kritik verstanden:

„Wie war deine Frage? / Wie kann ich humorvoller mit Kritik umgehen? / Indem du deine Kleidung änderst?“

Also immer schön entspannt bleiben, spontan und mit Humor auf verfahrene oder angespannte Situationen reagieren, im besten Fall mit einem kleinen Witz und feiner Ironie – all das sollen die Teilnehmer hier im Seminar lernen. Nicht theoretisch, sondern spielerisch im Praxistest. Die bunte Gruppe hat sichtlich und unüberhörbar Spaß am Rollenspiel. Aufmerksam beobachten die beiden Trainerinnen das lustige Treiben. Eva Ullmann, die das Leipziger Institut 2005 gründete, ist der Meinung, dass Humortraining keine Wissenschaft für sich ist. Sie hat das Institut aus einem bestimmten Grund ins Leben gerufen:

„Es braucht das Deutsche Institut für Humor nicht zwingend. Also, das hab’ ich nicht aus ‘ner Notwendigkeit gegründet, weil es zu wenig Humor gibt, sondern einfach aus der Faszination an Humor mit ‘ner gewissen Seriosität. Also was mich schnell interessiert hat, ist Humor in ernsten Situationen: Wie hoch darf die Dosis sein? Die Dosis macht das Gift.“

Wichtig für Eva Ullman war also die Paarung von Humor und Ernsthaftigkeit, Seriosität. Entsprechende Studien des amerikanischen Psychologen Stephen R. Schmidt untermauern das. Er hat herausgefunden, dass sich zum Beispiel Schüler im Unterricht einen Sachverhalt leichter merken, wenn er mit einem Witz verbunden wird. Aber wie bei einem Medikament macht es die Dosis, die einzelne Menge. Denn würde der gesamte Unterricht aus Witzen bestehen, käme es zu einer Überdosis. Der Sachverhalt würde nicht mehr ernst genommen und die Schüler würden sich nichts merken. Aber: Wie viel Humor am Arbeitsplatz ist gesund, wann ist er angebracht und wo hört der Spaß auf? Gerade in Deutschland kommt es da öfter zu Missverständnissen, meint Teilnehmerin Roswitha aus Gmund am Tegernsee. In Großbritannien, das als Mutterland des feinen Humors und des Spielens mit Wörtern gilt, sei das anders. Dort sei Humor am Arbeitsplatz gang und gäbe, üblich:

„Ich bezeichne mich als sehr humorvoll. Ich war in erster Ehe in England verheiratet, und da war dieser englische Humor mit diesen vielen Wortspielen, den hab ich sehr geliebt. Und ich finde es sehr schade, dass das in Deutschland so wenig gebraucht wird. Also sie sind nicht humorlos, aber es ist sehr ungewöhnlich, Humor in den Arbeitsalltag zu integrieren – im Gegensatz zu England zum Beispiel, wo das gang und gäbe ist.“

Die Gründerin des Humorinstituts, Eva Ullmann, blickt jedoch optimistisch in die Zukunft:

„Der deutsche Humor ist ja gar nicht so im Keller. Er ist eben nicht zwingend immer im Arbeitsbereich. Im Freizeitbereich, vom Karneval zur Varietészene zu ‚Wir lachen gern in geselligen Runden‘. Es war lange Zeit aus dem Arbeitsbereich so ausgekoppelt. Also ich glaube schon, das ist ‘n zunehmender Markt, weil Leute sagen: ‚Ich möchte auf der Arbeit auch Spaß haben dürfen, ohne dabei die Seriosität meiner Produkte oder die Seriosität meiner Arbeit zu verlieren‘.“

Ullmann findet, dass die Deutschen ja gar nicht so humorlos sind, der Humor nicht im Keller, der tiefsten Stelle im Haus, ist. Auch im Arbeitsleben, wo Witz und Humor bislang ausgekoppelt waren wie eine technische Verbindung, die aus etwas herausgelöst wird, wolle man mehr lachen, ohne dabei als nicht ernsthaft, als unseriös zu gelten. Die Teilnehmer sind zufrieden mit den beiden Tagen Humortraining. Es hat ihnen eine Menge gebracht, sie haben Einiges gelernt. Der 60-jährige Horst aus Bonn, der für mehr als 100 Angestellte verantwortlich ist, geht mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht durch den Raum:

„Also, mir hat das ‘ne Menge gebracht, auch einige Ideen. Und ich finde es auch mit der Gruppe sehr angenehm zu arbeiten, weil eben hier sehr viel Kreativität im Raum steckt und ‘ne offene Atmosphäre auch tatsächlich Ideen erzeugt, um einige Dinge besser handhaben zu können, also eben gerade Konflikte, Auseinandersetzungen, Dinge, die mit Humor sich besser managen lassen.“

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