Innovation statt Tradition: Bier aus Pulver
In Deutschland hat Bierbrauen eine lange Tradition. Es ist genau festgelegt, welche Zutaten im Bier enthalten sein dürfen. Doch Stefan Fritsche wollte etwas Neues ausprobieren und hat ein Bier auf Pulverbasis erfunden. Dadurch werden Flaschen und Dosen überflüssig und Transportkosten gespart. Das Einrühren in ein Glas Wasser genügt. Seine traditionell brauenden Kollegen sehen die Idee kritisch.
SPRECHERIN:
Ist das die Zukunft des Bieres?
BRANT DENNIS (Reporter):
In Deutschland, weltweit bekannt als Land der Biertrinker, hat man etwas ganz Neues erfunden: Bierpulver. Wer kommt auf so eine Idee?
SPRECHERIN:
Dieser Mann: Stefan Fritsche. Er ist Geschäftsführer der Klosterbrauerei Neuzelle. Zwei Jahre lang arbeitete er mit seinem Team an der Formel für das Bierpulver. Aber warum eigentlich?
STEFAN FRITSCHE (Geschäftsführer Klosterbrauerei Neuzelle):
Wir exportieren Bier in die ganze Welt. Die Glasflasche wiegt ungefähr ein halbes Kilo, die Flüssigkeit auch. Das ist sinnlos. Wir wollen den Geschmack unseres Bieres exportieren. So kamen wir auf die Idee, etwas Neues zu entwickeln. Wir wollten ein Pulver erfinden, das den ganzen Geschmack in sich trägt.
SPRECHERIN:
Die Deutschen trinken im Durchschnitt jährlich rund 90 Liter Bier pro Kopf – das ist Platz 4 in Europa; Tschechien steht an erster Stelle. Die europäische Bierproduktion führt allerdings Deutschland an. Das Besondere: Laut dem deutschen Reinheitsgebot dürfen nur Hopfen, Malz, Wasser und Hefe ins Bier. Die Brauerei Neuzelle liegt rund 150 Kilometer südöstlich von Berlin und braut seit mehr als 400 Jahren Bier. Es ist eine Klosterbrauerei – im Mittelalter brauten vor allem Mönche Bier, um die Fastenzeit besser zu überstehen. Trotz der langen Geschichte setzt Stefan Fritsche mehr auf Innovation als auf Tradition.
STEFAN FRITSCHE:
Ich kümmere mich nicht um das Rezept, wie man Bier braut. Denn das Reinheitsgebot ist meiner Meinung nach nur eine Empfehlung. Wenn die Kunden es so wollen, gerne. Aber meine Kunden, 95 Prozent von ihnen, sagen: „Nein, wir wollen auch mal etwas anderes, nicht immer das Gleiche.“
SPRECHERIN:
Für den traditionellen Brauer Oliver Lemke hat das Bierpulver aber nichts mit Qualitätsbier zu tun. Auch wenn er das Pulver selbst noch nicht probiert hat, meint er:
OLIVER LEMKE (Brauer):
Es wird ’n komplett anderes Produkt sein. Ich sag mal, selbst wenn Sie H-Milch trinken und Milch trinken, dann kennen Sie den Unterschied. Und es ist eben wichtig für die Leute, dass sie das auch einschätzen können. Aber das hat mit der Art Bier, wie wir sie zelebrieren und wie sie uns Spaß macht, einfach nichts zu tun.
SPRECHER:
Aus welchen Zutaten und wie genau das Bierpulver gemacht wird, hält die Brauerei bislang streng geheim. Stefan Fritsche behauptet, dass man durch den Verzicht auf die Flaschen nicht nur die Exportkosten, sondern auch die Umweltbelastung reduzieren könne. Ohne zu wissen, wie das Pulver produziert wird, kann man das allerdings nicht unabhängig überprüfen. Eins ist aber klar: Die Brauerei könnte bei den Transportkosten wesentlich sparen.
BRANT DENNIS:
Und was habe ich davon? Nie wieder Kisten oder Sixpacks schleppen? Mit dieser Erfindung bräuchte ich nur Wasser und das Pulver. Aber schmeckt es überhaupt?
Hm, es schmeckt nicht schlecht. Ich glaube ...
STEFAN FRITSCHE:
Es ist alkoholfrei!
BRANT DENNIS:
Ich bin mal nicht zu streng. Es schmeckt nicht wie normales Bier, das ich sonst trinke, auch, weil es keine Kohlensäure hat. Aber ja, man kann es trinken. Es ist nicht schlecht.
SPRECHERIN:
Das Bierpulver ist noch nicht auf dem Markt. An einer zweiten Version mit Alkohol arbeitet die Brauerei derzeit.
BRANT DENNIS:
Aber würden die Deutschen überhaupt Pulverbier trinken?
BEFRAGTER 1:
Ich würd‘s mal probieren, hätte aber ’ne gewisse Skepsis, ob mir das schmecken würde.
BEFRAGTE 2:
Ich würde es aus Neugier mal probieren.
BEFRAGTER 3:
Ich hätte jetzt nicht so Lust, ehrlich gesagt, zum Probieren.
SPRECHERIN:
Hm, klingt noch nicht nach Begeisterung. Aber könnte es dennoch sein, dass das Pulverbier in Zukunft klassisches Bier ersetzen wird?
OLIVER LEMKE:
Also nehmen Sie Armbanduhren als Vergleich: Irgendwann war die klassische Armbanduhr tot. Und heute haben wir ’ne Renaissance der schönen Armbanduhren, weil Menschen eben sich begeistern können für das Handwerk, für das Ehrliche, für das Schöne. Und so wird’s in der Brauerei auch sein.
SPRECHERIN:
Wie konkurrenzfähig das Pulver am Ende sein wird, werden wir erst sehen, wenn es auf dem Markt ist.
BRANT DENNIS:
Also bleibt es erst einmal hierbei. Prost!