Manuskript

Kletternd die Welt verstehen

Langweilige Spielplätze, übervorsichtige Eltern und dann auch noch Corona: Kindern wird es oft schwer gemacht, frei zu spielen. Sie haben aber ein Recht darauf – und brauchen es für ihre Entwicklung.

Der sechsjährige Junge könnte ein Brettspiel spielen oder ein Hörspiel hören. Lieber baut er aber aus Stühlen ein Klettergerüst oder benutzt das Sofa als Trampolin. Viele Eltern verbieten ihrem Kind in solchen Situationen das Spiel mit Möbeln. Schließlich ist der Stuhl kein Turngerät! Doch warum müssen Kinder eigentlich dauernd Gegenstände zweckentfremden? Und müssen sie das überhaupt tun?

Die Erziehungswissenschaftlerin Renate Zimmer sagt: Ja, sie müssen. Sie sollen turnen, klettern, springen, rennen, Höhlen bauen. Wenn Kinder mit Dingen in ihrer Umgebung spielen, verstehen sie dadurch, wie diese funktionieren. Aber: „Dafür muss ein Kind Freiraum haben. Das lernt es nicht beim Brettspiel oder beim Hören von Hörspielen“, so Zimmer. Dass Kinder ein Recht auf diesen spielerischen Freiraum haben, steht sogar in der UN-Kinderrechtskonvention.

Die Wirklichkeit sieht jedoch in vielen Städten anders aus: eingezäunte und langweilige Spielplätze überall. Und der Weg dorthin ist wegen des Verkehrs oft gefährlich. Außerdem wollen immer mehr übervorsichtige Eltern ihre Kinder auch am Spielplatz selbst kontrollieren. Spielkameraden sollten aber nicht die Erwachsenen sein, sondern andere Kinder.

Während des Corona-Lockdowns wurden Kindern selbst diese begrenzten Möglichkeiten genommen: Alle Spielplätze waren geschlossen, Treffen mit Freunden schwierig oder komplett verboten. Dabei hat freies Spiel „großen Einfluss auf die persönliche Entwicklung eines Kindes“, sagt Zimmer. So erfahren Kinder nämlich nebenbei, was sie schon können und was noch nicht. Hier geht es ihnen weder um ein bestimmtes Ziel noch um eine Verbesserung. Sie wollen einfach Dinge – und damit sich selbst – ausprobieren.

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