Manuskript

Mehr Zulauf im Pfandleihhaus

Energiekosten und Lebensmittelpreise steigen und vielen Menschen geht zum Ende des Monats das Geld aus. Immer mehr Leute verpfänden daher ihre Gegenstände, um Kredit zu erhalten. Die Geschäfte von Pfandleihern nehmen zu.
 

MICHAEL MEIERING (Pfandleiher):
So, einmal der Pfandschein. 50, 70, 80, bitte schön.

SPRECHER:
Sie alle brauchen Geld. Denn viele sind gerade knapp bei Kasse. In dem Paket ist eine Spielkonsole.

MICHAEL MEIERING:
Dann schon mal einmal der Pfandschein.

SPRECHER:
Ein Pfand. Die Kundin hat das Pfand abgegeben.

MICHAEL MEIERING:
50, 70, 90, 100, bitte schön.

SPRECHER:
Dafür bekommt sie 100 Euro geliehen für drei Monate. Monatlicher Zins: vier Prozent. Pfandleiher Michael Meiering vergibt Kredite gegen Pfand. Die Kunden brauchen mehr Geld, denn die Preise steigen rasant.

KUNDIN 1:
Ich kann zum Beispiel sagen, vor dem Krieg hat, ich weiß jetzt nicht, ob ich das sagen darf, Aldi Süd, sag ich jetzt mal, aber es ist ja bei Lidl und Co genauso, die Butter 1,39 € gekostet, jetzt kostet sie 1,99 €. Der Kaffee hat jetzt einen Sprung gemacht von 3,60 auf drei, auf vier Euro. Also alles.

SPRECHER:
Wenn er den Kredit vergeben hat, räumt er das Pfand ins Lager.

MICHAEL MEIERING:
Hier haben wir zum Beispiel eine … eine Playstation.

SPRECHER:
Computerspiele, seltene Modelleisenbahnen, alles, was einen Gegenwert darstellt, befindet sich hier. Zahlt der Kunde den Kredit nicht zurück, verkauft das Pfandleihhaus die Ware weiter. Das Geschäft hat zugenommen.

MICHAEL MEIERING:
Das merkt man ja selber, ne? Wenn man nur mal durch die Geschäfte geht, einkaufen geht, zur Tankstelle fährt, es wird alles wesentlich teurer. Und selbst die normalen, sagen wir mal, Arbeiter kommen mit dem Gehalt ja nicht mehr klar und das spült halt viele Leute zu uns ins Pfandhaus, die früher halt das gar nicht nötig hatten.

SPRECHER:
Das Pfandhaus liegt in einer alten Stahl- und Zechenstadt im Ruhrgebiet, eine von mehreren Filialen. Das Schaufenster. Zum Verkauf: Schmuckstücke von Kunden, die ihre Kredite nicht zurückzahlen wollten oder konnten. Es ist Mittag. Das Pfandhaus ist voll. Kleinkredite oder größere im fünfstelligen Bereich sind stark gefragt. Aber eine Kundin ist hier, um ihr verpfändetes Schmuckstück für 170 Euro wieder zurückzuholen.

KUNDIN 2:
Ich bin überglücklich, ja und das Positive ist das, dass … man kriegt wieder, nicht? Stromnachzahlungen, Heizkosten, man verdient heutzutage auch nicht so viel, ja, ich bin alleinerziehend und schon habe ich Schwierigkeiten, ja.

SPRECHER:
Die meisten Kunden schaffen es, ihren Kredit zu tilgen. Pfandleiher Michael Meiering verkauft Pfandstücke nur, wenn der Kunde zahlungsunfähig ist.

MICHAEL MEIERING:
Ja, ich guck mal. – Wir möchten ja eigentlich das Pfand gar nicht versteigern, das ist ja immer nur der letzte Ausweg. Wir möchten ja viel lieber, dass der Kunde seine Wertgegenstände wieder abholt. Erstmal ist es für uns besser, weil wir das immer wieder beleihen können, und der Kunde hat natürlich seine, seine Gegenstände noch.

SPRECHER:
Gerade vergibt er einen Kredit von 17.920 Euro auf diese Rolex-Uhr. Der Pfandleiher muss Expertise haben, um Preis, Funktion und Echtheit teurer Uhren zu überprüfen. Auch die Tagesumsätze sind in den letzten Monaten gestiegen. Denn seine Kunden kommen mittlerweile aus allen Schichten. Eine der Uhren gehört dem Chef eines großen Handwerksbetriebs, der seine Angestellten zahlen muss.

MICHAEL MEIERING:
Bei Handwerkern ist es häufig so: Der Auftraggeber zahlt nicht, die Kosten laufen weiter, die Miete, die … das Finanzamt will Geld, die Angestellten möchten bezahlt werden und dann haben wir durchaus zum Ende des Monats, dass die Leute hier stehen, ihre teuren Uhren versetzen und dann vielleicht nach zwei, drei Wochen sogar wieder abholen, wenn dann die Zahlung erfolgt ist. Das ist also durchaus eher Standard wie die Ausnahme sogar mittlerweile.

SPRECHER:
Auch bei Diamant- und Goldschmuck braucht er Fachkenntnisse. Ein Diamantring mit vielen Steinen, einer war anders geschliffen.

MICHAEL MEIERING:
Hier war es also so, dass ich … ein Stein ist wohl mal ausgetauscht worden, der war also in dem modernen Brillantschliff, den konnte man also sehen, dass er etwa aussieht wie dieser Stein.

SPRECHER:
„Dieser Stein“ ist nur ein Glasmodell zum Erklären ...
Uhren oder Familienschmuck abzugeben, muss man da nicht auch auf die Gefühle der Kunden eingehen können?

MICHAEL MEIERING:
Natürlich möchte man den Kunden ein möglichst gutes Gefühl geben. Es ist ja grundsätzlich so, es steht ja morgens keiner auf und sagt: „Jippi, ich gehe heute ins Pfandhaus!“ Sondern die haben alle irgendwo ja, ein bisschen Elend dann oder Nöte und Probleme, und ja, dann muss man denen natürlich hier ein gutes Gefühl möglichst geben, dass sie dann mit einem guten Gefühl wieder rausgehen.

SPRECHER:
An manchen Tagen kommen neuerdings über 100 Kunden. Dieser Herr möchte ein TV-Gerät beleihen. Die Gaskosten sind zu hoch ....

KUNDE 3:
Wir haben vorher 150 Euro bezahlt und jetzt müssen wir 250 bezahlen, also das merkt man schon.

SPRECHER:
Vielleicht wird es für ihn und seine Familie reichen, denn am Ende dieser Woche bekommt er den staatlichen Gaskostenzuschuss für den neuen Monat. Dann kann er auch überlegen, ob er sein Fernsehgerät wieder zurückholt.

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