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Neue alte Märchen

Berühmte Märchen, neu erzählt: Das ist der Stoff, aus dem zurzeit viele Filme und Bücher sind. Die Geschichten sind oft Jahrhunderte alt. Doch dass sie jetzt neu interpretiert werden, sagt viel über die Gesellschaft.

Man könnte fast von einem Märchen-Boom sprechen: Viele Filme, Videospiele und Romane der letzten Jahre greifen Handlungen und Motive bekannter Märchen auf. Eines der berühmtesten Beispiele ist Disneys „Maleficient“, eine moderne Version von „Dornröschen“. Doch das Phänomen, dass Märchen neu erzählt werden, ist selbst alt: Viele Märchen, die wir heute kennen, wurden zwar im 19. Jahrhundert veröffentlicht. Doch auch sie gehen auf Geschichten zurück, die teilweise viel älter sind.

Und dabei wurden sie an die Werte der Zeit angepasst. Anpassungen aus dem 19. Jahrhundert, wie sie für die Brüder Grimm oder Hans-Christian Andersen typisch sind, beschreibt der Autor Christian Handel so: „Der Held oder die Heldin ist der gottesfürchtige Brave, der dann belohnt wird.“ Er fügt hinzu: „Der Witz dabei ist, dass die alten Stoffe gar keine christlichen Märchen waren, sie sind bloß dazu umgeformt worden.“

Ähnliches gilt auch heute: „Die Erzählenden, die Märchen heute neu interpretieren, tun dasselbe, was Andersen und die Grimms getan haben: Sie gestalten Stoffe um, um sie ihren Werten anzupassen.“ Im Gegensatz zum christlichen, nationalen Märchen des 19. Jahrhunderts sind heute interkulturelle und internationale Dimensionen der Motive und Stoffe wichtig, so Handel. In seinem eigenen Roman „Rowan und Ash“ geht es um ein homosexuelles Prinzenpaar.

Gegen diese modernen Erzählungen gibt es aber auch Widerstand, vor allem in den sozialen Netzwerken. Die Kontroversen entstehen, weil sich die Werte in der Gesellschaft verändern, meint Handel. Das ist möglicherweise auch ein Grund für den aktuellen Boom: Neue Werte verlangen neue Geschichten, glaubt Handel.

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