Manuskript

Niedrigwasser am Rhein

In weiten Teilen Deutschlands hat es in diesem Sommer kaum geregnet, fast das ganze Land ist von Niedrigwasser betroffen. Der Rhein, der längste Fluss Deutschlands, trocknet immer weiter aus. Die vielen Transportschiffe können ihn kaum noch passieren. Eine Naturkatastrophe mit verheerenden Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt und die Wirtschaft.

  

SPRECHER:
Historisch niedrige Pegelstände. Der Rhein stellenweise nicht mal mehr einen Meter tief. Nichts geht mehr. Seit Tagen steht im westdeutschen Altrip der Betrieb still. Zu flach das Wasser für die Fähre des Familienunternehmens.
 

RALF CHEVALIER (Fährmann):
Das Wasser war bei ‘nem 1,30 m, wir fahren rüber, Schiff vorbei, erledigt. Da steckst du im Kies drin, und da ist der Antrieb kaputt. So ein Antrieb kostet schon mal neu – was kostet denn der? Ich glaub‘, 260.000 oder 270.000 [Euro] – und wie gesagt, man kann den nicht einfach kaufen.
 

SPRECHER: 
Manche Mitarbeiter müssen jetzt in den Urlaub, andere in die Kurzarbeit. Der Rest buddelt mit zwei Baggern eine neue, tiefere Fahrrinne. Rheinabwärts im Hafen Mannheim wird deutlich, wie viel auf dem Spiel steht. 80 Prozent der deutschen Binnenschifffahrt läuft über den Rhein. Viele Wirtschaftszweige sind darauf angewiesen, dass Güter über Wasser angeliefert werden, sagt uns Hafendirektor Uwe Köhn.
 

UWE KÖHN (Hafendirektor):
Sie sehen auch da drüben, wie die Polizei eine der beiden Brückendurchfahrten absperrt, wahrscheinlich weil es dort nicht mehr reicht das Wasser. Und sie sehen, wie die beiden Schiffe jetzt hier aufpassen müssen, dass sie aneinander vorbeikommen. Also die Jungs haben jetzt echt einen harten Job zu machen, dass nichts passiert.
 

SPRECHER: 
Doch das größte Problem, so Uwe Köhn, erkennt man bei diesem Frachter. Die Schiffe können nicht mehr voll beladen werden.
 

UWE KÖHN:
Also man braucht drei- bis viermal so viel Frachtraum derzeit, um dieselbe Menge wie bei Normalwasserstand zu transportieren. Das führt zu ‘ner Verknappung von Frachtraum und damit natürlich zu ‘ner Verteuerung. Und das ist das große Problem.
 

SPRECHER:
Doch besonders der Umwelt macht die extreme Trockenheit am Rhein zu schaffen. Gerardo Unger Lafourcade beobachtet seit über zehn Jahren die Naturlandschaft hier, jetzt sei die Tier- und Pflanzenwelt schwer gefährdet.
 

GERARDO UNGER LAFOURCADE (Ornithologe):
Hier wären wir einen Meter ungefähr unter Wasser in der Regel, und hier ist einfach kein Wasser mehr. Hier sterben alle Lebewesen ab, die nicht sich zurückziehen können.
 

SPRECHER:
Das trifft vor allem Tiere wie Schnecken, Muscheln oder Krebstiere, doch auch für Fische, so der Naturschützer, wird es jetzt gefährlich.
 

GERARDO UNGER LAFOURCADE:
Also hier ist schon alles abgestorben. Solche Pfützen muss man sich ja natürlich vorstellen, die kriegen dann 30-35 Grad. Das sind nicht nur für Fische Todeszonen, sondern auch für die ganzen Kleinstlebewesen.
 

SPRECHER:
Zu allem Übel tragen dann auch noch Touristen zu einem weiteren Absterben der Flora und Fauna bei. Viele nutzen den niedrigen Wasserstand, um zu Fuß zum weltberühmten Binger Mäuseturm zu gelangen. Dadurch, so der Umweltschützer, werden wertvolle Brutstätten zerstört.
 

GERARDO UNGER LAFOURCADE:
Also das Problem mit den Menschen auf sonst nicht begehbaren Inseln ist die Störung. Ein Vogel gewöhnt sich an die Umstände, und wenn er es nicht gewohnt ist, dass Menschen dort rumlaufen, wird jeder Mensch, der dort rumläuft, eine riesige Störung sein, die er vielleicht nicht verkraftet und so sein Gelege verlässt.
 

SPRECHER:
Wir fahren weiter. Vorbei an langen Sandbänken, abgestellten Schiffen und einem Strom, der so niedrig wie selten zuvor ist. Fast alle Fährbetriebe über den Rhein sind eingestellt. Doch bei Martin Schnaas im Städtchen Ingelheim, da geht noch was. In der 5. Generation, seit 130 Jahren, fährt seine Familie hier am Rhein. Er kommt noch klar, denn seine Fähre ist speziell für extrem flaches Wasser konstruiert.
 

MARTIN SCHNAAS (Fährmann):
Unser Antrieb ist im Schiffsboden drin, das heißt, die Fähre ist unten flach und nicht auf Kiel gebaut. Dadurch haben wir halt weniger Tiefgang. Hier ist auch noch genügend Luft, da kann das Wasser auch noch ‘nen halben Meter fallen. So weit kommt es hoffentlich mal nicht…hoffentlich.
 

SPRECHER:
Und so macht Martin Schnaas in diesen Tagen ein gutes Geschäft. Immer mehr Pendler und Touristen sind jetzt auf seine Fähre angewiesen.
 

MARTIN SCHNAAS:
Früher war das vielleicht alle 20 Jahre mal, jetzt mittlerweile hat sich das schon so eingependelt, dass du alle zwei Jahre [ein Jahr] hast, wo wir nicht mehr fahren können beziehungsweise die anderen Betriebe nicht mehr fahren können, wo wir jetzt hier aushelfen müssen. Also es häuft sich.
 

SPRECHER:
50 Zentimeter bis zum Grund des Flusses bleibt [bleiben] der Fähre noch. Doch auch Martin Schnaas weiß nicht, wie lange das noch reicht. Wenn es nicht bald regnet, wird wohl auch er aufgeben müssen.

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