Ohne Pomp ins Kanzleramt
Olaf Scholz ist neuer Bundeskanzler. Zum Amtsantritt gab es keine große Feier, wie man sie aus anderen Ländern kennt: Die Vereidigung eines Regierungschefs läuft in Deutschland nüchtern ab. Das hat historische Gründe.
Als Olaf Scholz sein Amt antrat, standen keine feiernden Menschen mit Deutschlandfahnen an der Straße. Es gab auch keine Parade, und kein berühmter Künstler hat auf der Bühne für ihn gesungen. Stattdessen erhielt Olaf Scholz nach der Wahl vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunde. Dann legte er im Bundestag den Amtseid ab und bekam ein paar Blumen geschenkt.
In Deutschland ist es nicht üblich, dass die Vereidigung eines Bundeskanzlers groß gefeiert wird. In anderen Ländern sieht es anders aus, wenn ein Regierungschef sein Amt antritt. In den USA singt schon mal Lady Gaga für den Präsidenten, in Russland finden Paraden statt. Laut Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger hängt die deutsche „Nüchternheit“ damit zusammen, dass Bundeskanzler nicht die gleiche repräsentative Rolle haben wie ein Präsident.
Außerdem lehnen viele Deutsche prunkvolle politische Rituale ab, weil sie zu sehr an die Zeit des Nationalsozialismus erinnern. Es gibt aber einige Ereignisse, die feierlich begangen werden – zum Beispiel die deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober. „Das sind sehr bescheidene, nicht prunkvolle, ruhige, aber sehr wichtige Rituale der deutschen Erinnerungskultur“, erklärt Stollberg-Rilinger.
Bei dem Amtsantritt einer neuen Regierung wird es aber auch in Zukunft keinen Pomp geben, ist sich die Historikerin sicher. Die Vereidigung von Olaf Scholz jedenfalls war genauso nüchtern wie erwartet. Nur eine Sache änderte der neue Bundeskanzler. Er ließ beim Amtseid die letzte Zeile aus: „…so wahr mir Gott helfe“. Und das war schon aufregend genug.