Da lachst du dich kaputt!
Witze gehören zum Leben dazu. Sie können platt, flach oder sexistisch sein, aber auch feinsinnig, mehrdeutig. Sie erzählen zu können, ist aber eine Kunst. Lacht sich jemand kaputt, hat der Witz sein Ziel erreicht.
„Kennen Sie den schon?/ Kennen Sie den? / Kennen Sie den schon?“
Wer auf einer Party diese Frage gestellt bekommt, sollte nicht damit rechnen, dass er mit jemandem bekannt gemacht werden soll. Die Formulierung dient als eindeutige Einleitung zu einem Witz, den die Person erzählen möchte. „Witz“, das hieß ursprünglich „Wissen“, „Klugheit“. Seit dem 19. Jahrhundert steht das Wort aber vor allem für „Scherz“. Der Witz erscheint als eine leichte Form der Unterhaltung. Doch auch er unterliegt bestimmten Strukturen, erklärt der Kabarettist Ingo Börchers:
„’n guten Witz macht sicherlich aus, dass er mit ’ner Erwartung spielt, die ich in der Regel nicht erfülle, sondern ich setze dem ein überraschendes Ende entgegen. Ein Witz ist dann gut, wenn er vielleicht sogar noch eine Ebene enthält, die mitschwingt, die sich mir erst, nachdem ich gelacht habe, erschließt. Das heißt, wenn er mich auf verschiedenen Ebenen anspricht und mehrere Lesarten hat, dann ist ein Witz von hoher Qualität, meiner Meinung nach.“
Ein Witz kann platt oder flach, abwertend, sein; er kann sexistisch, oberflächlich, geistlos sein. Dem stehen Begriffe wie geistvoll, feinsinnig, intelligent gegenüber. Ein Witz hat mehrere Bedeutungsvarianten, Lesarten, und kann mehrdeutig sein, unterschiedliche Sinnebenen haben. Diese schwingen mit, kommen nicht direkt zum Ausdruck. Besonders gut ist ein Witz nach Ansicht von Ingo Börchers, wenn sich diese Sinnebenen erst im Nachhinein erschließen, einem erst später klar werden. Unverzichtbar sind Witze im Karneval beziehungsweise Fasching. Klaus Becker vom Karnevalsverein „Eulenspiegel“ im saarländischen Furpach weiß, was gut ankommt und was nicht:
„Der Witz darf nicht unter die Gürtellinie gehen, das ist eben bei uns ungeschriebenes Gesetz. Aktuell soll er sein, er soll nicht alt und abgedroschen sein, und er soll auch nicht überall schon bekannt sein.“
Ein ungeschriebenes Gesetz, eine nicht schriftlich dokumentierte, aber allgemein anerkannte Regel, ist laut Klaus Becker, dass ein Witz nicht unter die Gürtellinie gehen, unanständig, vulgär, sein darf. Ein Witz darf auch nicht abgedroschen, nichtssagend, oberflächlich sein. Entscheidend für den Erfolg beim Witzeerzählen ist das Gespür für den richtigen Zeitpunkt, für die Situation und vor allem für die Zuhörerschaft. Sie entscheidet, ob ein Witz wirklich witzig war, oder ob die lustig gemeinte Kurzgeschichte – im wahrsten Wortsinn – witzlos, sinnlos war. Der Witz kommt weniger durch Mimik oder Gestik, sondern vor allem durch sprachliche Intelligenz zum Ausdruck und verlangt vom Hörer, geistig flexibel zu sein. Sowohl Erzähler als auch Zuhörer sollten wissen, worüber gesprochen wird, wenn Klischees oder Fremdwörter verwendet werden. Der Kabarettist Ingo Börchers nennt es den gemeinsamen Erfahrungshorizont. Fehlt dieser, so ist der Erzähler gefordert, wie Ingo Börchers sagt:
„Wenn man auf der Bühne steht, heißt das für einen, professionell darüber hinweggehen und schnell die nächste Pointe ansteuern, in der Hoffnung, dass die dann zünden wird. Wenn ein Witz in irgendeiner Kneipe erzählt wird, merkt man ja, wie einschneidend das für den Witzeerzähler sein kann und wie nackt man sich fühlen kann, wenn so ’ne Pointe verreckt.“
Für Witzeerzähler kommt es einer Art Armageddon nah, wenn der Witz nicht gezündet hat, das Publikum sich nicht kaputtlacht, weil etwa die Pointe, der überraschende Schluss, verreckt, misslingt. Erzähler fühlen sich, so Ingo Börchers, im übertragenen Sinn wie jemand, der plötzlich ohne Kleider dasteht. Sie fühlen sich nackt. Profis gehen einfach über die Situation hinweg, tun so, als ob sie es nicht bemerkt haben, und bereiten die nächste Pointe vor, steuern sie an.
Neben dem Intellekt und der Sprachgewandtheit spielt auch die Ausstrahlung des Erzählers eine Rolle. Auf die Frage, was es heißt, wenn „jemand Witz“ hat, bekommt man Antworten wie diese:
„Ist eigentlich ’n lustiger Mensch, nicht. / Wenn jemand Witz hat, versteh ich auch Esprit drunter. Er hat ’ne Ausstrahlung, er bringt ’n gewissen eigenen Witz mit, er ist ein bisschen verschmitzt irgendwo auch.“
Witze erzählen zu können, ist eine Kunst. Man sollte nicht nur Esprit haben, eine witzige, geistvolle Art zu reden. Auch die Persönlichkeit und die Ausstrahlung, die Wirkung, zählen: lustig sein, auch etwas verschmitzt, frech, aber charmant zu sein. Jemand, der steif wie ein Brett ist, wird bestimmt niemanden zum Lachen bringen. Aber auch sonst ist ein Witz sehr oft Glückssache:
„Freunde, kennt ihr den denn schon? / Kennen Sie den schon? / Kennen Sie den schon? Kommt ’n Mann in ’n Bäckerladen – jetzt hab ich den Witz vergessen ...“