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Manuskript

Im Reich des Schweizer Kräuterkönigs Raselli

Er beliefert einen sehr bekannten Schweizer Kräuterbonbonhersteller, verkauft aber auch selbst Tees: der Kräuterbauer Reto Raselli. Sein Lieblingstee besteht aus einer sehr „edlen“ Zutat.


Grauer, kräftiger Schnauzbart, buschige Augenbrauen hinter einer Brille, blau-weiß-rot kariertes Hemd – das ist Reto Raselli, der wohl bekannteste Kräuterbauer der Schweiz. Im letzten Zipfel des Landes, im Tal Poschiavo, in dem Teil des Schweizer Kantons Graubünden, in dem man Italienisch spricht, bewirtschaftet Reto Raselli rund 14 Hektar Land. Einziges Anbauprodukt sind Kräuter, davon jedoch eine ganze Menge:

„Wir bauen ungefähr 30 verschiedene Kräuter [an]. Das geht von den ganz gewöhnlichen Kräutern wie Pfefferminz, Thymian, Salbei, typische Bergkräuter, Spitzwegerich, Frauenmantel, einige Gewürze, und in den letzten Jahren haben wir auch essbare Blüten, das sind vor allem Kornblume – verschiedene Farben –, Sonnenblumen und Ringelblumen.“

Die prächtigen Felder von Reto Raselli liegen in alpiner Südlage, also auf der Südseite der Alpen, auf eintausend Meter Höhe. Hier gibt es viel Sonnenschein und häufig auch genügend Regen – also ideale Bedingungen für den Kräuteranbau. Angebaut, kultiviert, werden ganz gewöhnliche, alltägliche, Sorten, die man auch in einem Garten findet, wie etwa Pfefferminze, Thymian und Salbei, aber auch Heil- und Wildkräuter wie Spitzwegerich und Frauenmantel, die eher auf Wiesen zu finden sind. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie unter anderem bei Erkältungen helfen. Pro Jahr erzeugt der Bauer 35 bis 40 Tonnen getrocknete Ware. Dabei setzt Reto Raselli voll und ganz auf Bio – eine arbeitsintensive Aufgabe, wie er erzählt:

„Die Unkraut [Unkräuter], die wachsen wie verrückt. Und das ist das Schwierigste, oder unsere Aufgabe, diese Felder vom Unkraut zu befreien.“

Zwischen den Kräutern wächst das Unkraut wie verrückt. Diese nutzlosen oder schädlichen Pflanzen verbreiten sich sehr stark. Doch es widerstrebt dem Biobauern, etwas Gesundes anzubauen, um es dann mit Unkrautvernichtungsmitteln oder chemischem Dünger zu vergiften. Vom Frühjahr bis zum Herbst wird daher Unkraut gejätet – und das tonnenweise.

Reto Raselli verkauft einen großen Teil seiner Kräuter an einen weltweit bekannten Schweizer Bonbonhersteller. Ihn als Kunden zu haben, war ein Glücksfall, sonst hätte er vielleicht den Kräuteranbau wieder aufgeben müssen, gesteht er. Dabei war er ein Vorreiter im Anbau von Kräutern, wie er sagt: „Absolut. Ich bin der Erste, der in der Schweiz angefangen hat, Kräuter zu kultivieren. Es war schon im Jahr [19]81. Und wir haben ein Jahr später das Glück gehabt, die Firma Ricola als Kunde zu gewinnen. Und das hat natürlich das Ganze entwickeln können. Wir haben das kontinuierlich ausgebaut, und dank Ricola gibt’s heute den Schweizer Kräuteranbau.“

Reto Raselli gehört zu mehr als 100 Schweizer Bergbauern, die das traditionsreiche Schweizer Familienunternehmen Ricola mit Kräutern beliefern. Der Name Ricola setzt sich zusammen aus den Anfangssilben des Nachnamens von Unternehmensgründer Emil Richterich, der Abkürzung „Co.“ für „Compagnie“ und der ersten Silbe des Unternehmensstandorts Laufen. Bekannt wurde Ricola vor allem wegen seiner Kräuterbonbons, deren Markenzeichen die eckige Form ist. Schon früh nach der Unternehmensgründung in den 1930er-Jahren hatte sich Emil Richterich mit der Heilkraft von Kräutern beschäftigt. Bei seinen Experimenten kam eine Mischung heraus, die noch heute Basis für alle Kräuterbonbons ist:

„Das ist eine 13-Kräuter-Mischung. Ich kenne diese nicht. Das ist eine geheime Mischung oder ein Firmengeheimnis, sagen wir so.“

Auch wenn er die Grundzutaten für die Kräuterbonbons liefert, kennt Reto Raselli die Rezeptur dafür nicht. Denn diese ist ein sorgfältig gehütetes Geheimnis. Lediglich über den groben Produktionsprozess gibt das Unternehmen Auskunft. So müssen die empfindlichen frischen Kräuter nach der Lieferung schnell verarbeitet werden. Sie werden getrocknet, gereinigt, geschnitten, gelagert und dann gemischt, die Wirkstoffe und Aromen anschließend extrahiert und alle weiteren Zutaten beigemischt. Die Masse wird dann gekocht und zuletzt zu Bonbons geformt.

Zusätzlich zu der Kräuterbelieferung stellt Reto Raselli auch eigene Kräuter- und Tee-Mischungen her, die er abpackt, um sie in Schweizer Supermärkten zu verkaufen. Dazu gehört auch sein persönlicher Lieblingstee mit Edelweiß, einer kleinen Gebirgspflanze:

„Edelweiß ist eher bitter, aber man muss sehen, Edelweiß ist eine sehr emotionale Pflanze. Wenn man ‚Kräutertee mit Edelweiß‘ sagt, das reizt, das will man probieren.“

Das Edelweiß ist, wie es Reto Raselli ausdrückt, für die Menschen eine emotionale Pflanze. Sie gilt als Inbegriff der heilen Alpenwelt, früher auch als Symbol für Mut und Liebe. Denn Männer, die ihrer Angebeteten ein Edelweiß schenkten, welches nur in sehr hohen und schwer zugänglichen Lagen blüht, bewiesen damit, dass sie bereit waren, für die Liebe auch ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Inzwischen steht die kleine Pflanze unter Naturschutz. Bauern gelang es jedoch, die Wildpflanze an den Berghängen zu kultivieren. Edelweiß wird eine heilende Wirkung nachgesagt – unter anderem bei Atemwegserkrankungen und Durchfall.

Auch wenn Reto Raselli nicht mehr der Einzige ist, der auf Kräuteranbau setzt, nennt man ihn den ‚Kräuterkönig‘ – eine Bezeichnung, die den sympathischen Schweizer durchaus freut:

„Das hat vermutlich einmal irgendjemand geschrieben, oder? Und dann man wiederholt das wieder. Das macht mir auch Freude muss ich sagen.“

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