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Scham: unangenehm, aber wichtig

Niemand schämt sich gern, denn Scham ist ein sehr unangenehmes Gefühl. Trotzdem ist es wichtig für die Gesellschaft. Wofür man sich schämt, hängt deshalb stark von der Kultur ab, in der man lebt.

Jeder von uns erlebt irgendwann mal peinliche Situationen: Wir haben einen Fehler gemacht oder jemanden enttäuscht und schämen uns dafür. Dann schlägt unser Herz schneller, wir erröten und wollen am liebsten im Boden versinken. Scham ist ein unangenehmes, manchmal sogar ein schmerzhaftes Gefühl. Nicht ohne Grund kommt „peinlich“ von dem alten Wort „Pein“.

Alle Menschen können Scham empfinden, aber sie werden nicht damit geboren. Um sich zu schämen, muss man erst die Regeln kennen, die in einer Gesellschaft herrschen. Diese Regeln können sehr unterschiedlich sein. In Deutschland schämt man sich zum Beispiel, wenn man beim Essen schmatzt oder rülpst. Es ist auch peinlich, wenn man vergisst, das Preisschild an einem Geschenk zu entfernen. Aber in anderen Kulturen kann genau dieses Verhalten richtig und höflich sein.

Weil wir wissen, wie unangenehm Scham ist, wollen wir sie vermeiden. Scham sorgt dafür, dass wir uns an Regeln halten. Und so schützt sie die Gemeinschaft. Sie schützt aber auch uns selbst – nämlich davor, aus der Gemeinschaft ausgestoßen zu werden. Wir schämen uns sogar, wenn eine andere Person peinliches Verhalten zeigt. Besonders Menschen, die selbst schon häufig Schamgefühle erlebt haben, empfinden dieses „Fremdschämen“ sehr stark.

Trotzdem nimmt schamloses Verhalten zu. Heute können wir im Internet oder im Fernsehen ständig beobachten, wie Menschen sich selbst oder andere in peinliche Situationen bringen. Dazu meint der Therapeut Udo Baer, der ein Buch über Scham geschrieben hat: „Da werden Schamgrenzen überschritten, die plötzlich alltäglich werden.“ Wir erleben schamloses Verhalten und gewöhnen uns daran. Und so hat die Scham immer weniger Einfluss auf uns und auf die Gesellschaft, in der wir leben.

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