Tafeln machen Armut sichtbar
Seit 1993 verteilen die „Tafeln“ Lebensmittel an Bedürftige. Dass zuletzt zwei Millionen Menschen kamen, zeigt, dass Deutschland ein Problem mit Armut hat. Renten und finanzielle Unterstützung reichen oft nicht aus.
„Wir verfolgen das alte Robin-Hood-Prinzip. Wir nehmen es von dort, wo es zu viel gibt, und geben es dahin, wo es gebraucht wird.“ So beschreibt Sabine Werth ihre Arbeit. Zusammen mit anderen hat sie 1993 in Berlin die erste Tafel in Deutschland gegründet. Heute sammeln 936 Tafeln in Supermärkten, Bäckereien und kleineren Läden Lebensmittel, die noch genießbar sind, aber nicht mehr verkauft werden. Die verteilen sie kostenlos an Bedürftige.
Zu den Tafeln kommen nicht nur Obdachlose, sondern auch Alleinerziehende, Geflüchtete und Menschen, die ihre Rente aufstocken müssen. Für das Geld, das sie so sparen, können sie sich zum Beispiel Schulsachen für die Kinder oder einen Kinobesuch leisten. Der Dachverband der Tafeln schätzt die Zahl der Kundinnen und Kunden für 2022 auf zwei Millionen, etwa 50 Prozent mehr als 2021. Obwohl Deutschland eines der reichsten Länder der Welt ist, waren hier 2022 13,8 Millionen Menschen von Armut bedroht oder betroffen. Fehlende kulturelle Teilhabe, schlechtere Ernährung und Bildung gehören zu den Folgen.
Eine Kritik an den Tafeln lautet, sie würden es dem Staat zu leicht machen, da die Bekämpfung der Armut eigentlich seine Aufgabe ist. Doch Jochen Brühl vom Dachverband sieht das anders: „Wir sind gesellschaftspolitisch wirksam, weil wir dadurch der Gesellschaft den Spiegel vorhalten und zeigen, was an manchen Stellen offensichtlich nicht funktioniert.“
Ihn ärgert es deshalb, wenn Sozialämter Bedürftige zu den Tafeln schicken. „Wir rutschen immer mehr in eine Situation, dass wir von manchen in unser Sozialsystem eingepreist werden. Das wollen wir aber nicht und wehren uns vehement dagegen“, so Brühl. Um unabhängig zu bleiben, nehmen die Tafeln auch keine finanzielle Unterstützung vom Staat an.