Unterschiedliche Gegenstände an einem Flohmarktstand (Quelle: picture-alliance/dpa/K. Remmers)
Manuskript

Unterwegs auf dem Flohmarkt

Im Frühjahr beginnt sie – die Zeit der Flohmärkte im Freien. Für wenig Geld kann man dort fast alles kaufen, was andere loswerden wollen. Manchmal ist sogar das eine oder andere Schätzchen darunter.

Frühjahr: Das bedeutet vor allem in deutschen Großstädten, dass die Zeit der meist samstäglichen Flohmärkte beziehungsweise Trödelmärkte anbricht. Ihr Kennzeichen: Jede Menge Stände mit jeder Menge Sachen, die an den Mann oder die Frau gebracht werden sollen. Es müssen nicht immer nur die alten Tassen der Oma oder Gläser der Jahrhundertwende sein, die das Interesse wecken sollen. Manchmal ist auch das eine oder andere Schätzchen darunter, ein wertvoller Stuhl oder eine wertvolle Lampe.

Die großen Märkte sind oft in der ganzen Stadt oder Region bekannt, die Leute kommen von weit her, weil es dort angeblich die schönsten Sachen gibt. Vom Kleiderschrank über die Kuckucksuhr bis zum Duschkopf findet man nicht nur jeden erdenklichen Gebrauchsartikel, sondern auch Käuferinnen und Käufer aus allen gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen.

Wer vorhat, sich an einem Samstag auf den Weg zu machen, loszustiefeln, um sich auf einem der Flohmärkte wie dem in München, umzuschauen, sucht – so wie diese Besucherin – nur manchmal gezielt etwas:

„Ich habe eine Kaffeemühle gesucht, speziell eine aus Holz, so ’ne richtig alte zum Drehen, weil ich am Wochenende Kaffeebohnen geschenkt bekommen habe. Die kann ich nicht verarbeiten, weil ich keine Kaffeemühle habe. Also bin ich losgestiefelt auf den Flohmarkt und hab hier nach langem Suchen dieses wunderbare Exemplar einer Kaffeemühle erstanden. Ich musste handeln. Der sehr nette Verkäufer war, glaube ich, froh, dass er die los war, dass er die nicht wieder einpacken musste und mit’m Auto wieder nach Hause fahren musste.“

Für einen Flohmarktbesuch gibt es ganz praktische Argumente. Dinge, die sonst sehr teuer sind, bekommt man für einen Bruchteil des normalen Preises, dafür eben gebraucht. Meist kann man den Preis sogar noch herunterhandeln. Für manchen ist ein Besuch auf einem Flohmarkt aber nur eine Freizeitbeschäftigung, allerdings mit Suchtfaktor:

„Das ist immer unser Wochenende, und ja, Flohmarkt ist ’ne Sucht, und bevor man die letzten Triebe im Wald zerlatscht, geht man doch lieber übern Flohmarkt. Es ist spannend, es ist Schatzsuche. Man weiß nie, was auf einen wartet. Wenn man so durch die großen Einkaufsstraßen geht, weiß man immer, was auf einen wartet, und hier ist Abenteuer. / Außerdem meint man immer noch, dass man ’n Schnäppchen macht.“

Statt eines Ausflugs in den Wald, wo man Gefahr läuft, die sich langsam entwickelnden kleinen Bäume und Pflanzen, die Triebe, zu zertreten, darauf zu latschen, läuft man lieber über einen Flohmarkt. Manchen packt dann sogar ein ‚Flohmarkt-Virus‘, er will immer und immer wieder hin – und geht vielleicht mit dem Gefühl nach Hause, ein Schnäppchen gemacht zu haben, wenig Geld bezahlt zu haben. Andere sehen Flohmärkte etwas pragmatischer. Sie wollen ihre Kleidung, alte Haushaltsgeräte oder Möbel auf gar keinen Fall wegschmeißen. Also gehen sie auf den Flohmarkt und verdienen dabei noch etwas Geld. Ein Beispiel ist Peter:

„Ich bin arbeitslos und hab ’n Nachlass von meinen Eltern und ich kann das nicht wegschmeißen. Ich muss das irgendwie einigermaßen rentabel veräußern. Manchmal muss man soweit runter, dass es keinen Spaß mehr macht. Aber hin und wieder freut man sich dann, wenn man was verkaufen kann, wo man ’n bisschen was verdient. Aber es ist vor allem auch wegen’m Spaß. Man freut sich schon, wenn man was verkauft und wenn so ’n bisschen was dabei rausschaut.“

Peters Eltern sind verstorben. Er kümmert sich jetzt um das, was sie ihm hinterlassen haben, ihren Nachlass. Weil er keine Arbeit hat, möchte er natürlich so viel Geld wie möglich mit dem Verkauf der Sachen verdienen. Er möchte sie rentabel veräußern. Manchmal muss er mit dem Preis aber sehr weit runtergehen, ihn so stark senken, dass er dem eigentlichen Wert eines Gegenstands nicht mehr entspricht. Dennoch ist Peter froh, dass er überhaupt etwas Geld verdient, dass ein bisschen was dabei rausschaut.

Das Faszinierende am Flohmarkt ist, dass genau die Dinge, die der eine für Müll hält, dem anderen gefallen. Häufig will es der Zufall, dass sie entdeckt werden:

„Wir schauen nur so ’n bisschen rum, wir suchen eigentlich nichts Bestimmtes jetzt. Wir haben’s schon gefunden, zwei Gläser, zwei Weingläser haben wir. – Etwa um die Jahrhundertwende. Es gibt bestimmte Stände, die haben wirklich sehr, sehr schöne Sachen, und da kann man auch noch was Besonderes finden, muss halt ’n bisserl rumschauen.“

Die Zwanglosigkeit gefällt vielen Flohmarktbesucherinnen und -besuchern. Aber auch der kommunikative Aspekt:

„Eigentlich erlebt man nette Geschichten hier, man kommt schnell mit den Leuten ins Gespräch. Es ist eigentlich immer ’ne nette Atmosphäre, und man kann mehrere Stunden auf Flohmärkten verbringen. Es ist eigentlich ’ne sehr nette Freizeitbeschäftigung. / Ne Stimmungssache, hier durchzugehen, einfach nur zu gucken. Und ich find, dass es Spaß macht, bei den Trödlern reinzuschauen. Man muss ja nicht unbedingt was kaufen.“

Flohmarktbesuch bedeutet auch, unter Sammlerinnen und Sammlern Erfahrungen auszutauschen oder mit einem der Altwarenhändler, der Trödler, das eine oder andere interessante Hintergrundgespräch über den gerade erworbenen Gegenstand zu führen. Wer dann irgendwann feststellt, dass doch vieles dabei ist, das man eigentlich gar nicht braucht, weiß ja, was zu tun ist: sich auf einen Flohmarkt stellen.

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