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Manuskript

Die Schweiz auf dem Weg zum Veloland

Die Schweiz ist bekannt für vieles, aber nicht unbedingt dafür, ein Land der Fahrradfahrer zu sein. Das soll sich ändern. Fahrradschnellwege sollen mehr Menschen dazu bringen, vom Auto aufs „Velo“ umzusteigen.


Die Niederlande kennen wir als typisches Fahrradfahrerland. Hier ist es schön flach – und man kann bestens ohne große Anstrengung radeln. Anders sieht es in der bergigen Schweiz aus. Sie gilt nicht als traditionelles Fahrradland. Dennoch sollen auch hier mehr Menschen vom Auto „aufs Velo“ umsteigen. „Velo“ ist – wie viele andere schweizerdeutsche Begriffe – dem Französischen entlehnt. Wie in dem einen oder anderen europäischen Land, möchte man auch in der Schweiz Radschnellwege bauen, „Veloschnellrouten“ beziehungsweise „Velostraßen“ genannt. Als erste Stadt beschloss die Stadt Winterthur, etwa 30 Kilometer nördlich von Zürich gelegen, im Jahr 2014 ein Netz von Velostraßen zu schaffen. Wer die 100.000-Einwohner-Stadt besucht, dem fällt beispielsweise schon am Bahnhof auf, dass sich hier in Fahrradständern ein Velo ans andere reiht. Die Resonanz ist durchaus positiv:

„Also, wir benutzen nur das Velo. Für mich ist wirklich Winterthur mit dem Velo perfekt. / Es gibt überall Weg. ’s gibt g’nug Ständr, also wo ma seine Velos cha [kann] abstelle. Also, ich find es eigentlich ziemlich gut, so wie’s ist. / Es hat so neue Spuren gegeben, da auf der anderen Seite, so schnelle Wege, ja. Die benutz’ ich, ja."

Diese eigenen Streifen neben der Straße, die Spuren, nennen die Verkehrsplaner  „Veloschnellrouten“. Sie sollen dem Radverkehr in Winterthur noch mehr Schwung verleihen. Erste Strecken und Abschnitte sind bereits fertig. Kurt Egli vom Schweizer Fahrraddachverband „Pro Velo“ beschreibt das Projekt:

„Konkret sind das durchgehende Routen abseits von den Hauptverkehrsstraßen – durchgehend heißt, dass sie wenig unterbrochen sind, dass ich zufahren kann. Und dann vielleicht sogar – wenn es wirklich schwierig ist –, dass man Hauptverkehrsstraßen gefahrlos kreuzen kann, zum Beispiel mit Unterführung oder Brücken.“

Damit man zufahren, also schnell und ohne Unterbrechung fahren kann, haben die Verkehrsplaner die Wege und die Routen so gestaltet, dass sie möglichst wenig Kontakt mit dem Autoverkehr haben. Und da, wo der Kontakt nicht zu vermeiden ist, wo beispielsweise eine Hauptverkehrsstraße überquert, gekreuzt, wird, fährt man unter der Straße durch oder oben drüber. Die Schnellrouten haben zudem einen weiteren Vorteil gegenüber herkömmlichen Fahrradwegen: Sie sind breiter. So kann ein Fahrrad mit einem Hänger zum Beispiel für Kinder oder für Lasten ohne Schwierigkeiten überholt werden. In der Fahrbahn eingelassene Ampelsensoren, dünne Streifen, die einen Elektroimpuls an die Ampel abgeben, sichern den Radlern Vorrang vor anderen Verkehrsteilnehmern. Nicht nur Kurzstrecken, sondern auch längere Entfernungen zwischen sieben und 15 Kilometern sollen so für Radfahrer attraktiv werden, sagt Kurt Egli:

„Wo man eben ungebremst oder ungehindert da fahren kann, damit man längere Distanzen auch zurücklegen kann. Die Idee ist, die Pendlerdistanzen so deutlich auszuweiten.“

Komfortables Fahren – ohne etwa ständig auf den fließenden Autoverkehr zu achten oder an Ampeln stehen zu bleiben – sorgt dafür, dass Radfahren auch für Berufspendler attraktiver wird. Das sind Beschäftigte, die jeden Tag zur Arbeit und zurück nach Hause fahren. Nicht nur, dass Zeit gespart wird, man kann auch längere Strecken zurücklegen, die man sonst mit dem Auto gefahren wäre. Für Städte, die nicht so groß sind, ist das Rad das effizienteste, geeignetste und wirtschaftlichste, Verkehrsmittel, bestätigt der Winterthurer Verkehrsplaner Christoph Oetiker:

„Wir hoffen, dass wir schon auf vielen Abschnitten heute schneller sind mit dem Fahrrad als gegenüber dem Auto, weil man einfach behinderungsfrei weiterkommt – vor allem, weil man dann von Ziel zu Ziel fahren kann und nicht noch teilweise Parkplatzsuche machen muss. Und das Fahrrad kann man abstellen, da wo man hinwill. Ich bin heute selber mit dem Fahrrad gekommen, weil’s einfach das schnellste und effizienteste Verkehrsmittel ist in einer Stadt wie Winterthur.“

Dabei geht es den Winterthurern nicht um eine ideologisch strenge, dogmatische, Bevorzugung eines Verkehrsmittels vor anderen, sagt Christoph Oetiker:

„Ja, wir von der Stadt oder ich auch persönlich als Verkehrsplaner versuchen halt nicht, das Verkehrsmittel als dogmatische, politische Hinderung zu sehen, sondern einfach sagen: ‚Wir haben verschiedene Verkehrsmittel in der Schweiz, in der Stadt – und die haben alle ihre Berechtigung. Und das Hauptproblem ist nicht die Wahl des Verkehrsmittels, sondern das Hauptproblem ist, den Raum, den wir zur Verfügung haben, möglichst effizient zu nutzen.“

Und da schneidet das Fahrrad eben besser ab als Autos, die breite Fahrbahnen und große Abstellflächen benötigen. Dem Beispiel von Winterthur wollen fünf Schweizer Städte folgen, zum Beispiel Bern und St. Gallen. Seit 2016 testen sie Möglichkeiten, den Radverkehr zu fördern, ohne jedoch Autos komplett zu verdrängen, vergleichbar zur in Deutschland bekannten Fahrradstraße. Sollte der Versuch erfolgreich verlaufen, dann soll die „Velostraße“ in der Schweiz gesetzlich verankert werden.

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