Wenn die Wohnung aufgelöst wird
Wenn Menschen nicht mehr in ihrem Haus wohnen können oder gestorben sind, stellt sich oft die Frage, was mit ihren Möbeln geschieht. Viele Menschen haben einen anderen Geschmack als ihre Angehörigen und wollen eine Wohnung nicht selbst nutzen. Dann muss sie professionell ausgeräumt werden. Christian Requard und sein Team sehen bei ihrer Arbeit, wie unterschiedlich Menschen mit dieser Situation umgehen.
SPRECHER:
Wohnungsauflösung, die Bewohner im Heim oder verstorben. Drinnen sieht alles noch völlig intakt aus, aber dann kommen sie: Alles muss raus.
CHRISTIAN REQUARD:
Wir haben heute ’n Einfamilienhaus, nicht nur heute, sondern über zwei Tage. Drei Etagen, hinten noch schön mit Kriechkeller. Ich hoffe, ihr seid hochmotiviert, und wir schauen mal, dass wir das möglichst zügig durchbekommen. Ja?
SPRECHER:
Ein Haus im Speckgürtel von Hamburg. Christian Requard, Firmenchef der Haushaltsauflöser, hat den Erben dieses Hauses versprochen, alles leer zu räumen und besenrein zu hinterlassen, damit ein Makler das Haus verkaufen kann.
CHRISTIAN REQUARD:
So, hier haben wir das Esszimmer. In diesem Esszimmer ist es so: Die dunklen Möbel sind momentan einfach schwierig. Möchte ’n Sozialkaufhaus nicht unbedingt haben, kriegen die auch nicht weitergegeben. Je dunkler und je größer die Möbel werden, desto schwieriger wird das heutzutage in der Weitergabe.
SPRECHER:
Die Vitrine: ein Fall für die Müllverbrennung. Vielleicht bleibt im Nachbarzimmer etwas übrig, das wiederverwertet werden kann?
CHRISTIAN REQUARD:
Das Wohnzimmer, die gute Stube und ... wir versuchen vom Vorgehen her möglichst nicht immer alles wegzuhauen, weil wir haben jeden Tag so ’ne Geschichte, und heutzutage ist es ja so auch aus ökologischer Sicht, dass es eigentlich sinnvoll ist, solche Sachen halt, wenn’s denn möglich ist, weiter zu benutzen.
SPRECHER:
Die Möbel vom Wohnzimmer werden sie einem Secondhand-Kaufhaus in Hamburg anbieten. Jede Woche haben sie unterschiedliche Auftraggeber.
CHRISTIAN REQUARD:
Wir sehen, sag ich mal, vom Umgang der Angehörigen mit dem Objekt auch alles. Also, wir haben Menschen, die schwer Abschied nehmen können. Die, sag ich mal, ganz viel versuchen, selber zu sortieren, zu machen und da teilweise jahrelang sich mit aufhalten. Und wir haben Menschen, denen das wirklich relativ egal ist, die da sehr sachlich-distanziert rangehen und denen das Liebste ist, wenn es einfach alles schnell wegkommt.
SPRECHER:
Vor sieben Monaten der letzte Kalendereintrag. Wer waren die Eigentümer? Zwei Kinder, die heute groß sind. Die Familie hat gemeinsam gespielt. Zuletzt lebte hier die Witwe.
CHRISTIAN REQUARD:
Jeder ist ja auch selber ausgestattet, so. Und häufig ist es ja so, dass die Geschmäcker dann verschieden sind, und es passt halt nicht unbedingt alles in den eigenen Haushalt, sodass sich die Angehörigen dann ’n Fotoalbum, bestimmte Erinnerungsstücke mitnehmen. Aber ich sag mal: Von den Möbelstücken her und vom Gros der Dinge bleibt halt vieles übrig.
SPRECHER:
Und dann wird ausgeräumt. Etwa 10.000 Gegenstände besitzt ein Europäer im Durchschnitt. Fünf LKW-Ladungen werden es. Das meiste wird entsorgt. Ulrike Brandt sortiert das Geschirr. Es kommt auf den Recyclinghof zum Bauschutt. Eine Verschwendung, aber wie kann man das ändern?
ULRIKE BRANDT:
Ich glaube, es ist schon vernünftig, sich dann auch gelegentlich mal so von Sachen zu trennen.
SPRECHER:
Eigentlich könnte sie doch alles für sich behalten. Ist sie da nicht in Versuchung? Wie wirkt der Job auf sie?
ULRIKE BRANDT:
Ich bin inzwischen dazu übergegangen, immer weniger selber zu haben, weil man einfach merkt, dass man nicht so viel braucht, ’ne?
SPRECHER:
In den Wannen sortieren sie den Hausrat. Einige Sachen sehen noch neuwertig aus. Warum können sie die Sachen nicht selber verkaufen?
CHRISTIAN REQUARD:
Wenn man allerdings uns beauftragen würde, das für jemanden zu übernehmen, dann ist das Problem, da fallen Lohnkosten an. Und in dem Moment, wo Lohnkosten anfallen, wo das Ganze noch versteuert werden muss, rechnet es sich dann nicht mehr.
SPRECHER:
Diese Sachen kommen zum Secondhand-Kaufhaus. Viel Geld bekommen sie dafür nicht, aber auf diese Weise sparen sie Müllgebühren. Schwere Arbeit, geht das nicht auf den Rücken?
ULRIKE BRANDT:
Manchmal ja, aber ich glaub, Menschen, die den ganzen Tag aufm Bürosessel sitzen, merken’s auch.
SPRECHER:
Ein paar tausend Euro kostet ihr Arbeitseinsatz, etwa 40 Prozent davon werden Transport- und Müllgebühren sein. Aber was bedeutet eine besenreine Übergabe?
ULRIKE BRANDT:
Der Makler möchte einfach dieses Haus gut verkaufen, es soll repräsentabel aussehen. Deswegen haben wir jetzt die Lampen dringelassen, und so ’n paar Gardinen lassen wir drinnen, dass es so ’n bisschen wohnlich aussieht, aber das Gröbste muss halt einfach raus.
SPRECHER:
Für 600.000 Euro oder mehr könnte dieses Haus verkauft werden. Wenn die neue Familie einzieht, wird sie mehrere zehntausend Einrichtungsgegenstände hier wieder einräumen.