WG-Speed-Dating
Schnell einen möglichen Traumpartner finden: Das verspricht das normale „Speed-Dating“. Wer als Student schnell an ein Zimmer kommen will, kann auch „speeddaten“ – zum Beispiel für einen Platz in einer WG.
Wer das englische Wort „Speed“ benutzt, weiß, dass es um Schnelligkeit geht. Beim „Speed-Dating“ treffen sich Männer und Frauen, die einen Partner suchen, an einem bestimmten Ort. Sie sitzen an Zweiertischen, erzählen von sich und wechseln nach etwa sieben bis acht Minuten den Tisch, um mit jemand anderem zu sprechen. Auf Zetteln wird notiert, wen man wieder treffen möchte. Gibt es eine Übereinstimmung, übermittelt der Veranstalter die Kontaktdaten. Dieses Prinzip der Partnersuche machen sich auch Studentenwerke zunutze. Studenten, die ein freies Zimmer in ihrer Wohngemeinschaft, kurz WG, anbieten, treffen in einer Studentenkneipe auf Studenten, die eines suchen. Auch hier gibt es nur einige Minuten Zeit, sich gegenseitig kennenzulernen – und schon geht die Runde weiter zum Nächsten. Alle haben kleine Pappschilder mit Wäscheklammern am Pullover befestigt, auf denen steht, was gesucht oder geboten wird. Susanne, Thomas und Sophia, die einen neuen WG-Mitbewohner suchen, sitzen zusammen an einem Tisch. Gespannt sehen sie in den Raum und warten, wer sich zu ihnen an den Tisch setzen wird. Susanne sagt, worauf sie bei der Auswahl achten:
„Ja, uns ist es vor allem wichtig, dass es nicht ’ne reine Zweck-WG ist, also dass das Menschliche auch stimmt, also dass derjenige auch Lust hat, mit uns mal was zu machen, jetzt nicht nur nebeneinanderher leben, sondern auch mal zusammensitzen, zusammen essen, zusammen kochen, mal ab und zu zusammen weggehen. Aber nicht nur. Wenn man seine Ruhe haben will, dann kriegt man seine Ruhe auch. Also, uns geht’s eher ums Menschliche, dass er auch an uns interessiert ist, nicht nur an dem Zimmer.“
Susanne und ihre Mitbewohner möchten nicht nur jemanden aufnehmen, weil er oder sie unbedingt ein Zimmer braucht. Sie wollen keine reine Zweck-WG, denn dann würde man nichts gemeinsam haben, man würde nebeneinanderher leben. Für die drei muss – wie Susanne sagt – das Menschliche stimmen, man müsse gleiche Interessen haben, oder wie eine oft benutzte Redewendung heißt: „Die Chemie muss stimmen.“ Dazu gehöre, sagt Susanne, gemeinsam etwas zu unternehmen, etwas zu machen, wegzugehen. Ähnlich sieht das der 19-jährige Stephan. Er sucht einen neuen Mitbewohner für eine Vierer-WG:
„Na ja, also ich find es jetzt voll interessant. Also, ich hab jetzt vier Leute da gehabt, und davon hat jetzt einer schon auf jeden Fall schon zugesagt. Und bei dem anderen ist [es] halt zum Beispiel am Preis gescheitert, oder es hat einfach so nicht zusammengepasst. Das Wichtigste ist wohl bei den meisten der Preis für die Leute, die suchen, und dann natürlich auch so das WG-Leben. Ist man ’ne Zweck-WG oder versucht man eher, öfter was zusammen [zu] machen? Und dann natürlich auch [die] Lage [der Wohnung], was studiert derjenige, und natürlich auch [das] Alter ist ganz wichtig.“
Stephan ist begeistert vom WG-Speed-Dating. Er findet es voll interessant. Besonders in der Jugendsprache wird das Adjektiv „voll“ gerne benutzt, um zu betonen, dass etwas ganz besonders ist. Für Stephan gibt es aber auch noch viele andere Kriterien, die ausschlaggebend sind. Dazu gehört auch, wie teuer ein WG-Platz ist, der Preis müsse stimmen. Beim WG-Speed-Dating ist die Auswahl an neuen Mitbewohnern riesig. Im Fünf-Minuten-Takt kommt ein neuer Kandidat oder eine neue Kandidatin und stellt sich vor. Daten werden ausgetauscht, Fragen gestellt und beantwortet. Alles kurz und knapp, denn für die Gespräche bleibt nicht viel Zeit. Dass die Auswahl so groß ist, hat seinen Grund, sagt Kristina, die das WG-Speed-Dating in der Kneipe organisiert hat:
„Wohnungsnot ist gerade unter Studenten ein weit verbreitetes Problem. Fast jeder Studierende kennt das, selbst auf Wohnungssuche zu sein, und kennt die wochenlangen, teils wirklich nervigen Castings, die man zu durchlaufen hat, bis man wirklich ’ne passende WG gefunden hat. Und gerade mit der wirklich sehr überfüllten Uni in Würzburg ist so was einfach ’ne nette Art, vielleicht wirklich auf unkomplizierte Weise WG-Partner zu finden.“
Eine Wohnung besonders in beliebten Hochschulstädten zu finden, ist nicht leicht – mit den entsprechenden Folgen für die Studenten. Diese suchen fast alle ein Zimmer oder eine Wohnung. Sie müssen – wie es Kristina formuliert – nervige Castings durchlaufen, ähnlich wie jemand, der Modell oder Schauspieler werden will. Der- oder diejenige muss sich an verschiedenen Stellen vorstellen und eine Art Prüfung durchlaufen. „Nervig“ wird in der Umgangssprache sehr oft verwendet, zum Beispiel wenn einem etwas nicht gefällt, wenn etwas anstrengend ist oder wenn eine Person einen stört. Für Susanne, Thomas und Sophia war der Abend noch nicht erfolgreich. Sie haben zwar einige Telefonnummern in der Tasche, aber ihren neuen Traum-Mitbewohner konnten sie noch nicht finden. Und das hat seinen Grund, sagt Susanne:
„Bisher sind wir, glaub’ ich, nicht so ganz überzeugt, weil ich glaube, im Endeffekt müssen die Leute halt dann doch noch mal bei uns vorbeikommen und sich’s erst mal angucken, ob sie sich da auch wirklich wohlfühlen. Ich mein’, sie lernen zwar jetzt uns kurz kennen, aber so ’n richtiges Bild von der Wohnung und von den Leuten kriegt man erst, wenn man mal noch mal daheim vorbeigeschaut hat.“
Susanne findet, dass man sich beim WG-Speed-Dating noch keinen richtigen Eindruck von einer Person machen kann. Denn erst wenn ein interessierter möglicher Mitbewohner die Wohnung gesehen habe, daheim vorbeigeschaut habe, könne er sich einen Eindruck verschaffen, ein Bild machen. Auch Karl-Heinz, der einen WG-Platz sucht, war nicht erfolgreich:
„Also, es gibt schon hier gute Angebote, auch noch nette Menschen und so, aber die Zimmergröße und der Preis … Is’ bis jetzt noch nicht so ideal gelaufen.“
Eigentlich ist Karl-Heinz zufrieden mit dem, was beim WG-Speed-Dating angeboten wird. Nur für ihn war nichts Passendes dabei, ist es nicht ideal gelaufen, vor allem, weil die Zimmer entweder zu klein oder zu groß und zu teuer waren. Mietverträge werden an diesem Abend noch nicht unterschrieben. Aber Anbieter und Suchende kommen sich unkompliziert näher und sparen eine Menge Zeit und Geld. Schließlich müssen sie keine „Anzeigen“, „Annoncen“, in der Zeitung, im Internet oder in der Universität „schalten“. Passen die Vorstellungen von Angebot und Nachfrage auch bei der späteren Wohnungsbesichtigung vor Ort, dann klappt es mit dem neuen Mitbewohner. Und wenn nicht, dann geht man eben zum nächsten WG-Speed-Dating.