Tabuthema im Medizinstudium: Abtreibung
In Deutschland werden jedes Jahr viele Abtreibungen durchgeführt. Doch im Medizinstudium kommt das Thema kaum vor. Die Studenten fühlen sich nicht gut ausgebildet. Einige fordern eine Änderung.
Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland streng geregelt. Der Eingriff darf nur durchgeführt werden, wenn er medizinisch notwendig ist, wenn die Schwangerschaft durch Vergewaltigung verursacht wurde oder wenn die Frau weniger als 12 Wochen schwanger ist und an einer Beratung teilgenommen hat. Doch das bedeutet nicht, dass eine Abtreibung legal ist. Es heißt nur, dass weder die schwangere Frau noch der Arzt dafür bestraft wird.
2017 wurden in Deutschland rund 101.200 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Einen Arzt für einen solchen Eingriff zu finden, ist allerdings schwierig. Denn nicht viele führen Abtreibungen durch. Diejenigen, die es tun, dürfen aber keine Informationen darüber auf ihrer Internetseite veröffentlichen. Ein weiteres Problem ist: Die Bundesländer müssen laut Gesetz dafür sorgen, dass es genug Einrichtungen für Schwangerschaftsabbrüche gibt. Doch die Zahl der Gynäkologen sinkt.
Die Berliner Medizinstudentin Alicia Baier findet die hohe Zahl an Abtreibungen beunruhigend. Denn in ihrem Studium lernt sie darüber fast nichts. „Wir haben ein einziges Seminar, in dem das Thema erwähnt wird. Es gibt auch Kommilitoninnen und Kommilitonen, bei denen das gar nicht zur Sprache kam“, sagt sie.
Baier engagiert sich bei der Studentengruppe „Medical Students for Choice“. Diese will das Tabu beseitigen, das mit dem Eingriff verbunden ist. Die Gruppe fordert, dass medizinische Fakultäten den Studenten beibringen, wie man Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Dafür veranstaltet sie Workshops mit Gynäkologen. Das hilft den Medizinstudenten sehr. „Es bietet eine Plattform, um mit Gynäkologen zu sprechen, die selbst Abtreibungen durchführen“, sagt Baier.