6,2 Millionen Deutsche können nicht richtig lesen und schreiben
Lesen und schreiben zu können ist für die meisten im Alltag unerlässlich. Viele Menschen in Deutschland stellt es jedoch vor eine große Herausforderung: Sie beherrschen diese Fähigkeiten nicht richtig.
Den Führerschein machen? Einen Stadtplan lesen? Essen im Restaurant bestellen? Für all das ist es unerlässlich, lesen und schreiben zu können. Für zwölf Prozent der 18 bis 64-Jährigen in Deutschland sind diese scheinbar einfachen alltäglichen Dinge aber eine große Herausforderung: Sie können nicht richtig lesen und schreiben. Dieses Ergebnis brachte im Mai 2019 eine Studie der Universität Hamburg zum Vorschein.
Nicht alle Betroffenen sind allerdings Analphabeten. Viele können Buchstaben erkennen und Wörter lesen, sind aber nicht in der Lage, Zusammenhänge zwischen einzelnen Sätzen zu verstehen. Für die meisten bedeutet das große Einschränkungen im Alltag. Manche können immerhin Bücher lesen, andere verlassen noch nicht mal ihr Stadtviertel, weil sie weder Straßenschilder noch Fahrpläne lesen können.
Wie aber kommt es überhaupt dazu, dass es in Deutschland so viele Menschen gibt, die das Lesen und Schreiben nicht richtig beherrschen? Laut Tim Henning vom Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V. gibt es dafür viele Gründe. Neben Legasthenie und Aufmerksamkeitsstörungen können auch die Bildung der Eltern sowie das Schulsystem ein Grund dafür sein. „Wenn die Eltern kein Interesse an Bildung haben, hat es das Kind schwer“, so Henning.
Nur 30.000 Menschen besuchen jedes Jahr in Deutschland einen Alphabetisierungskurs, obwohl die Zahlen zeigen, dass der Bedarf größer ist. Für viele Menschen ist die Scham zu groß, sich dem Problem zu stellen und sich Hilfe zu holen. Kerstin Goldenstein hat dies geschafft. Die ehemals Betroffene hat an einem Alphabetisierungskurs teilgenommen und hilft jetzt in Hennings Verband anderen Betroffenen. Sie betont: „Die Leute müssen erkennen, dass es ein großes Problem für die Gesellschaft ist […]. Es ist auch ein politisches Thema.“