Weniger arbeiten liegt im Trend

In Teilzeit arbeiten, um Zeit für andere Dinge im Leben zu haben: Was sich viele Beschäftigte wünschen, kann zum Problem für die Wirtschaft werden. Es fehlen Fachkräfte. Dieser Interessenkonflikt ist schwer zu lösen.

Martin Stolze arbeitet in Teilzeit. So hat der 47-jährige Lehrer mehr Zeit für seine Eltern. Wie er denken viele Arbeitskräfte in Deutschland, den Niederlanden und Österreich: Rund ein Drittel arbeitet in Teilzeit – in den USA ist es nicht einmal ein Zehntel. Ein Großteil sind Frauen, die häufig noch immer die Kindererziehung und die Pflege von Angehörigen übernehmen. In den Niederlanden sind „1,5 Einkommen“ zur Regel geworden: Pro Haushalt arbeitet oft eine Person in Vollzeit, die andere in Teilzeit. Und auch immer mehr Singles bevorzugen Teilzeitbeschäftigungen.

So kommt es, dass trotz hoher Beschäftigungsraten nicht mehr gearbeitet wird. 2022 arbeiteten die Menschen in Deutschland 1350 Stunden im Jahr. Das ist weniger als in jedem anderen OECD-Land. Für die Wirtschaft kann das zum Problem werden: Schon jetzt fehlen in bestimmten Bereichen viele Fachkräfte, zum Beispiel in der Kinderbetreuung. Noch deutlicher wird der Mangel an Arbeitskräften spürbar sein, wenn die „Baby-Boomer“ in Rente gehen – eine große Zahl erfahrener Arbeitskräfte.

Arbeitgeber und Regierungen versuchen daher, Beschäftigte dazu zu bringen, mehr Stunden zu arbeiten. In Österreich wird die Einkommenssteuer nicht, wie geplant, gesenkt, um Teilzeitarbeit nicht noch attraktiver zu machen. In Deutschland sollen unter anderem Unternehmen ihre Homeoffice-Angebote ausweiten und Überstunden attraktiver gemacht werden. In Baden-Württemberg müssen Erzieherinnen und Erzieher, die weniger als 75 Prozent arbeiten wollen, diesen Wunsch sogar begründen.

Die Frage ist, ob diese Strategien überzeugen können. Martin Stolze meint, „arbeiten, um zu leben, und nicht leben, um zu arbeiten“ ist das Motto der Zeit. Er selbst möchte gerade genug arbeiten, um davon leben zu können, und sich sonst Dingen widmen, die ihm wirklich wichtig sind. Und auch bei seinen Kolleginnen und Kollegen beobachtet er „sehr, sehr gute Gründe“ für den Wunsch nach Teilzeit.