Manuskript

Zahlen Reiche zu wenig Steuern?

Die Unterschiede zwischen Arm und Reich sind enorm: Ein kleiner Teil der Weltbevölkerung besitzt fast die Hälfte des gesamten Vermögens. Dieses Geld ist oft nicht einmal selbst verdient worden, denn manche Menschen haben einfach das Glück, aus einer reichen Familie zu stammen. Viele fordern, dass die allerreichsten Menschen eine Extrasteuer bezahlen sollen. Andere befürchten, dass das der Wirtschaft schaden würde – aber stimmt das?

SPRECHERIN:
Wenige haben sehr viel – sehr viele haben kaum etwas. Diese wachsende Ungleichheit belastet unsere Gesellschaft schon seit Jahren.

CHRISTIAN HALLUM (Entwicklungsorganisation Oxfam):
Wir haben jetzt eine Situation, in der die Milliardäre ihren Reichtum in nur einem Jahrzehnt verdoppelt haben. Wir haben auch eine Krise der Lebenshaltungskosten, die die Gehälter der normalen Bürger ausgehöhlt hat. Wir sehen also, dass die Reichen immer reicher werden und es allen schlechter geht, und das halten wir für unhaltbar.

YANNICK HAAN (Initiative für Steuergerechtigkeit Tax me now):
Wir haben eben Überreiche, die besonders von der Gesellschaft profitieren, die besonders Glück am Ende hatten, die oft geerbt haben, die im Allgemeinwohl, die zum Staat gar nichts mehr beitragen. Und da ist die große Ungerechtigkeit.

REINER HOLZNAGEL (Bund der Steuerzahler):
Ich kann all diejenigen verstehen, die das Gefühl haben, dass andere in Deutschland oder auch in Europa zu wenig besteuert werden. Ein Übermaß an Steuern [trägt nicht dazu bei], dass die Unternehmen investieren, dass sie Forschung betreiben, dass sie innovativ sind und auch zukünftig Arbeitsplätze schaffen.

SPRECHERIN:
Aber wie sieht es mit der weltweiten Vermögensverteilung aus? Im Jahr 2022 waren 45,8 Prozent des weltweiten Vermögens im Besitz der reichsten „ein Prozent“. 53 Prozent des globalen Vermögens gehörten etwas weniger als der Hälfte der Weltbevölkerung. Die verbliebenen circa 50 Prozent der Menschheit teilten sich die restlichen 1,2 Prozent des Weltvermögens. Diese Ungleichheit hat die Diskussion über eine Reichensteuer entfacht. Doch die Idee ist keineswegs neu. Vor 40 Jahren zahlten die Wohlhabenden viel höhere Steuern als heute.

CHRISTIAN HALLUM:
Wir hatten extrem hohe Steuern in vielen Ländern. Die USA sind ein gutes Beispiel. Wir bringen sie heute oft mit niedrigen Steuern in Verbindung. Aber vor den 80er-Jahren hatten sie sehr hohe Steuersätze für Reiche, die über 70 Prozent erreichten. Und sie hatten auch ein hohes Wachstum. Aber ab den 80er-Jahren begann dieser Krieg gegen die progressive Besteuerung.

SPRECHERIN:
Jetzt wird die Forderung nach Besteuerung der Reichsten lauter, auch im US-amerikanischen Kongress.

JOE BIDEN (US-Präsident): 
Milliardäre zahlen im Durchschnitt acht Prozent auf ihr Gesamteinkommen, acht Prozent. Ich bin Kapitalist. Wenn Sie eine Milliarde Dollar verdienen wollen, ist das großartig. Aber zahlen Sie Ihren gerechten Anteil, zahlen Sie ein bisschen. Ein Feuerwehrmann und ein Lehrer zahlen mehr als das Doppelte des Steuersatzes, den ein Milliardär zahlt.

SPRECHERIN:
Und einige von den Ultrareichen wollen auch ihren Beitrag leisten, wie Bill Gates, Warren Buffet und andere.

YANNICK HAAN:
Wir sind vor allem selber vermögende Personen, die eigentlich sagen, wir könnten mehr Steuern zahlen. Deswegen auch „Tax me now“.

SPRECHERIN:
Nun hat Brasilien einen neuen Vorstoß gestartet, um eine globale Mindeststeuer für die Milliardäre dieser Welt einzuführen.

CHRISTIAN HALLUM:
Die G20-Staaten bemühen sich jetzt, die Superreichen zu besteuern. Aber das heißt, dass alle G20-Mitglieder dahinterstehen müssen.

REINER HOLZNAGEL:
Die Investitionen, die in Deutschland unbedingt notwendig sind, werden weniger lohnen. Wer Vermögenssteuern einführt, wird an anderer Stelle Steuern verlieren, weil Abwanderung stattfindet.

SPRECHERIN:
Die Einführung einer globalen Reichensteuer bedarf einer internationalen Kooperation. Aber wie hoch könnten eigentlich die Steuern für die Reichen sein, ohne die Wirtschaft zu schädigen?

CHRISTIAN HALLUM:
Wie hoch können wir die Steuern ansetzen, ohne der Wirtschaft wirklich zu schaden? Die Schätzung liegt bei 60, 70 Prozent oder darüber.

SPRECHERIN:
Das liegt weit über dem, was die reichsten Bürger in vielen Ländern derzeit zahlen. Der Streit um die angemessene Besteuerung großer Vermögen geht in die nächste Runde.

Manuskript