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Manuskript

Auch Schimpansen können schmollen

Menschen haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Leipziger Forscher wollten herausfinden, ob das bei Schimpansen genauso ist, und haben sie mit ihren Tests auch schon mal so richtig verärgert. 


Sie gehören zur Gruppe der Hominidae, der Menschenaffen, und gelten als die nächsten lebenden Verwandten des Menschen: die Schimpansen. Beheimatet sind sie eigentlich in den Staaten des mittleren Afrika. Wegen der nahen Verwandtschaft zum Menschen wird ihr Verhalten seit langem von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit erforscht – auch um Erkenntnisse für menschliches Verhalten zu gewinnen. Am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig beschäftigt man sich seit Mitte der 1970er Jahre mit der Erforschung der Verhaltensweisen von Schimpansen. Ein Forscherteam um Dr. Jan Engelmann untersuchte, ob Schimpansen ein Gefühl für Fairness und soziale Erwartungen haben.

„Wir wollten untersuchen, ob sie es zum Beispiel – genau wie wir Menschen – unfair finden, wenn zwei Menschen die gleiche Arbeit machen und dann eine Person dafür zehn Euro bekommt und die andere zwanzig Euro.“

Die 2017 veröffentlichte Studie bestätigte laut Jan Engelmann, dass Schimpansen zwar ein Fairnessempfinden haben, das allerdings nicht – wie beim Menschen – auf einem sozialen Vergleich basiert:

„Wir haben eine andere Art von sozialer Erwartung bei Schimpansen gefunden, nämlich dass Schimpansen erwarten, dass bei einer Verteilung ihre Interessen berücksichtigt werden. Also wenn ihnen ein Futterstück gegeben werden kann, das sie stark präferieren oder eins, das sie nicht präferieren, und dann wird ihnen das nicht präferierte Futterstück gegeben, dann reagieren sie darauf negativ.“

Die Forscher stellten fest, dass Schimpansen – anders als Menschen – ihre Gewinne nicht mit Gewinnen eines Artgenossen vergleichen. Schimpanse A erwartete zur Belohnung für eine bestimmte Handlung also nicht, das Gleiche zu bekommen wie Schimpanse B. Was Schimpansen aber als unfair empfinden: wenn eine Bezugsperson ihnen zur Belohnung für eine Handlung nicht das von ihnen bevorzugte Futter gibt, sondern ein minderwertiges. Ihre Enttäuschung drückt sich dann deutlich in ihrem Verhalten aus: Sie lassen zum Beispiel Werkzeug fallen oder ziehen sich in eine Ecke des Raumes zurück. Bei Menschen würde man von „schmollen“ sprechen.

Um herauszufinden, welches Futter die getesteten Schimpansen mögen, haben die Wissenschaftler sogenannte „Futterpräferenztests“ gemacht. Dabei durften die Menschenaffen zwischen einem Stück Apfel und einem Stück Karotte wählen. Sie wählten immer den Apfel. Deshalb nehmen die Wissenschaftler an, dass Schimpansen Äpfel bevorzugen. Als nächstes wollten die Wissenschaftler herausfinden, ob Schimpansen auch Erwartungen im Umgang miteinander haben und wie sie sich verhalten, wenn diese Erwartungen enttäuscht werden – ob sie sich also wie Menschen verhalten, so Jan Engelmann:

„Soziale Erwartungen sind ja bei uns Menschen, also dass wir zum Beispiel erwarten von anderen Menschen, dass sie uns die Tür aufhalten, dass sie uns helfen, wenn uns was runtergefallen ist, und so weiter und so fort.“

Werden diese Erwartungen nicht erfüllt, reagieren Menschen ablehnend bis heftig:

„Also bei uns Menschen ist es ja so, dass wir uns vielleicht erst mal beschweren und ein bestimmtes Verhalten einfordern – und wenn dann uns wieder nicht geholfen wird zum Beispiel, dann wollen wir mit dieser Person auch meistens nichts mehr zu tun haben, die sich entgegen unserer Erwartung verhält.“

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Schimpansen ähnlich wie Menschen reagieren, sagt Jan Engelmann:

„Unsere Vermutung wär’, dass da eben dann auch ganz was Ähnliches passiert wie beim Menschen, was in der Fachsprache oft ‚partner switching‘ genannt wird, also dass, wenn die Schimpansen dann öfter von einem bestimmten ‚Freund‘ enttäuscht werden, also zum Beispiel, wenn der Freund öfter mit ihm kein Futter teilt oder sie bei Kämpfen nicht unterstützt, dass sie dann sich von diesem Freund abwenden und probieren, andere Freunde zu finden.“

In diesem Punkt ähneln sich also menschliche und tierische Verhaltensweisen. Einen Unterschied zum Thema „Fairness“ sehen die Wissenschaftler um Jan Engelmann aber schon:

„Der Mensch ist so stark wie kein anderes Tier auf Kooperation angewiesen. Also wir können praktisch unseren Lebensunterhalt, unser Überleben, können wir ja nicht alleine bestreiten im Gegensatz zu ganz vielen anderen Tieren. Wir sind ganz stark auf andere Menschen angewiesen und vor allem darauf angewiesen, dass diese Menschen auch in Zukunft mit uns weiterhin kooperieren. Und damit die weiterhin mit uns kooperieren, müssen wir uns eben fair verhalten. Und deswegen ist die Funktion von Fairness beim Menschen einfach die, dass wir es schaffen, langfristige kooperative Beziehungen zu etablieren und aufrechtzuerhalten.“

Für Schimpansen ist Kooperation nicht so wichtig, weiß Engelmann:

„Schimpansen – die kooperieren zwar auch in manchen Kontexten mit ihren Artgenossen, aber die Kooperation ist nicht ganz so wichtig wie beim Menschen. Zum Beispiel können Schimpansen praktisch ihre ganze Nahrung, die sie brauchen, auch alleine bekommen. Und deswegen gibt’s bei Schimpansen wahrscheinlich nicht dieses Bedürfnis, auch Fairnessnormen zu entwickeln.“

Trotzdem zeigen die Ergebnisse – wie es in einer Pressemitteilung hieß –, „dass Schimpansen soziale Erwartungen gegenüber sozialen Partnern ausbilden“. Und dies sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Moralempfinden.

Die Forscher am Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie untersuchten die Entstehungsgeschichte verschiedener Arten von Menschenaffen.
Schimpansen stellen im Falle einer Belohnung keinen Vergleich mit anderen Schimpansen an.
Alle Schimpansen in dem Test entschieden sich für das gleiche Futterstück.

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