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Die Fledermaus-Hotline

Sie leiden unter einem schlechten Image: Fledermäuse. Dabei sind die scheuen, meist nachtaktiven Tiere nützlich. Das und noch viel mehr erfährt man über die Fledermaus-Hotline des NABU.


Ein uralter Aberglaube begleitet sie auf Schritt und Tritt: der des blutsaugenden „Vampirs“. Menschen glaubten früher, Tote kämen in Gestalt von Fledermäusen nachts durchs Fenster ins Haus, würden sie beißen und ihnen das Blut aussaugen, bevor sie wieder wegflögen. Doch das stimmt nicht, beziehungsweise nicht ganz. Denn es gibt nur eine einzige Fledermausart, die Vampirfledermaus, die Blut saugt – von Vögeln und Säugetieren. Alle anderen Fledermäuse und Flughunde, eine verwandte Art, sind Vegetarier oder ernähren sich von Insekten und Spinnen. Sie gehören zu den Fledertieren, auch Flattertiere genannt, einer Säugetierordnung. Zu dem negativen Image mag auch das etwas furchteinflößende, gruselige, Aussehen des kleinen Säugetiers beitragen: das mausähnliche Gesicht mit zum Teil scharfkantigen Zähnen, die spitzen, großen Ohren, der pelzige Körper und die an den kurzen Armen und Beinen befestigten sogenannten Flughäute. Fledermäuse fliegen quasi mit ihren Händen und das weitgehend lautlos, aber ziemlich wendig, beweglich, wenn sie auf Nahrungssuche gehen.

Nicht nur diese Information bekommt man, wenn man die Fledermaus-Hotline des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) anruft. Dort erreicht man montags bis freitags, in bestimmten Monaten auch am Wochenende, zu bestimmten Zeiten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die Fragen zu den Tieren beantworten. In der Regel wird angerufen, wenn jemand direkt mit Fledermäusen zu tun hat und verunsichert ist, wie er sich verhalten soll, erzählt Petra, eine der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen:

„Üblicherweise kommt der Mensch mit Fledermäusen so dicht ja gar nicht in Kontakt, einfach weil die Fledermäuse so abgeschlossen und ruhig und zurückgezogen wohnen und leben. Der einzige Kontakt, der entstehen kann, ist tatsächlich, wenn ein Tier verletzt ist. Wenn es, sage ich mal, notgelandet ist oder geschwächt ist, aus welchen Gründen auch immer, und dann am Boden sitzt.“

Und dann sollte man sie nicht mit bloßen Händen anfassen, weil sie, wenn sie sich bedroht fühlen, beißen können. Zur Paarung, zur Aufzucht des Nachwuchses im Sommer, zum Überwintern, aber auch zum Schlafen sind Fledermäuse auf Höhlen oder Räume angewiesen, die sie vor natürlichen Feinden wie Katzen, Greifvögeln oder Eulen schützen. Das kann auch schon mal der Dachstuhl eines Hauses sein. Entdecken Hausbewohner die Tiere, klingelt auch dann bei der Fledermaus-Hotline das Telefon:

„Ganz oft ist es so, dass Hauseigentümer sich Sorgen machen, dass Fledermäuse irgendwas kaputtmachen oder dass das Haus Schaden nimmt. Dem ist definitiv nicht so. Und dann sind die meisten Leute beruhigt und dann [heißt es] sogar auch: ‚Ach so, dann ist es ja in Ordnung. Ja, dann dürfen die da aber doch gerne wohnen‘.“ 

Mancher gibt anfangs zu, misstrauisch zu sein, lässt sich in einem Gespräch aber gerne aufklären. Nicht nur darüber, dass die Tiere harmlos sind, sondern beispielsweise auch darüber, dass sie unter Naturschutz stehen. Einige der etwa 25 in Deutschland vorkommenden Arten sind sogar vom Aussterben bedroht, weshalb sie auch auf der Roten Liste bedrohter Tierarten aufgelistet sind. Denn die Tiere sind für das Ökosystem sehr wichtig, so Petra:

„Fledermäuse sind bei uns reine Insektenfresser und verspeisen also wirklich Unmengen von Insekten, also Stechmücken – Schnaken –, Nachtfalter – alles, was nachts so herumfliegt. Und so im Schnitt geht man davon aus, dass eine Zwergfledermaus, das ist ja eine unserer kleinsten Arten, dass die in einer Nacht bis zu 4000 Mücken verspeisen kann.“

Fledermäuse vertilgen Unmengen von Insekten, auch solche, die für Mensch und Landwirtschaft schädlich sind. Darüber hinaus düngen sie mit ihrem Kot Bäume, verbreiten Samen und bestäuben Blüten. Die in Deutschland heimischen Tiere werden nur zirka acht Zentimeter groß. Neben mancher Gemeinsamkeit gibt es auch den einen oder anderen Unterschied zwischen den Arten:

„Fledermäuse können sehen, also die haben winzig, winzig kleine Äuglein. Die haben unterschiedliche Fähigkeiten: Die einen können besonders schnell fliegen, die anderen sind superwendig, die einen jagen im hohen Luftraum praktisch oberhalb der Baumkrone. Die müssen bestimmte Fähigkeiten haben, was ihre Flügel können, wie die geformt sind. Andere haben besonders große Ohren, weil die nämlich von Pflanzen Insekten absammeln können und dann noch mal hoch spezialisiert sind mit ihrem Echoortungssystem. Die nächsten können vom Boden aus starten, weil die auf Laufkäfer im Wald spezialisiert sind.“

Fossilienfunde haben gezeigt, dass Fledermäuse seit mehr als 50 Millionen Jahren existieren. Sie sind so alt wie Dinosaurier. Forscher entdecken zudem immer wieder Neues an dieser uralten Spezies, besonders was das ihnen eigene Echoortungssystem angeht. Fledermäuse senden etwa mit der Zunge oder dem Kehlkopf hohe Töne oder Klicklaute aus, um sich zu orientieren oder ihre Beute zu orten. Diese Töne liegen im Ultraschallbereich, können also vom menschlichen Ohr nicht gehört werden. Treffen die Schallwellen auf Gegenstände oder Lebewesen, können Fledermäuse anhand dieses reflektierten Echos erkennen, was bis zu 300 Meter vor ihnen liegt. Diese Echoortung brauchen sie, da sie sich als nachtaktive Tiere in völliger Dunkelheit orientieren müssen. Aber gerade dieses nützliche System wird ihnen auch zum Verhängnis, nämlich dann, wenn sie auf Windkraftanlagen mit ihren Rotorblättern treffen. Denn, so erklärt Petra:

„Die Fledermaus fliegt, sag ich mal, nach vorne, sendet ihren Ultraschall aus, der nur nach vorne im Prinzip gerichtet ist, in der Hoffnung ein Beutetier zu ‚beschallen‘, um es dann zu fangen und aufzuessen. Aber dieses Rotorblatt, das kommt nicht direkt von vorne, sondern es kommt von seitlich unten oder von oben. Das heißt, dass diese Echoortung dieses Rotorblatt gar nicht erfasst. Wenn die Fledermaus, sag ich mal, jetzt nicht direkt vom Rotorblatt erfasst wird, ist es so, durch diese extreme Luftverwirbelung platzen der Fledermaus im Prinzip die Lungenbläschen oder inneren Organe. Und ja, dann verstirbt sie natürlich auch daran.“

Die Echoortung der Fledermäuse funktioniert bei Windkraftanlagen nicht, weil sie die Rotorblätter nicht richtig erfasst. Außerdem sorgt deren extrem schnell drehende Bewegung dafür, dass die Luft verwirbelt wird. Es entsteht eine kreisförmige Bewegung, ein Luftwirbel. Durch einen Abfall des Luftdrucks hinter den Rotorblättern platzen die Lungenbläschen und inneren Organe der Tiere. Nach Hochrechnungen sterben jährlich bis zu 200.000 Tiere an deutschen Windenergieanlagen. Bleibt zu hoffen, dass die Tiere auch eine Strategie im Umgang mit Windkraftanlagen entwickeln oder der Mensch eine Lösung findet. Denn schließlich ist es ja so, meint Petra:

„Der Mensch sagt immer: ‚Ja, für was brauch ich denn die Fledermaus. Also die legt mir irgendwie keine Eier.‘ Und viele fürchten sich davor. Aber die Fledermaus ist ja im Prinzip genauso ein Bindeglied dieser, ja, natürlichen Kette von Lebensraum und Lebewesen wie im Prinzip jedes andere Tier auch. Viele finden sie optisch gruselig, aber das ist halt Geschmackssache.“

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