Manuskript

Harmlosigkeit als rechtsextreme Strategie

Sie produzieren lustige Videos, nutzen die sozialen Medien und sind auf Dorffesten präsent: Rechtsextreme versuchen mit Absicht, die Menschen dort zu erreichen, wo sie sich zu Hause fühlen und nicht an Politik denken.


In einer hippen Bar auf der Insel Sylt werden rassistische Parolen gerufen – zu dem Lied „L‘ amour toujours“ von Gigi D’Agostino. Auf Tiktok erscheint ein Video von der Szene, der Fall sorgt bundesweit für Aufsehen. Weitere Partyvideos werden bekannt – dieselben Parolen, dasselbe Lied. Laut der Amadeu Antonio Stiftung gehört es seit 2023 zum Soundtrack einer neuen Generation von Rechtsextremen. Die Fälle zeigen: Rechtes Gedankengut dringt immer weiter bis in die Mitte der Gesellschaft vor.

Wie konnte es so weit kommen? In den 2010er-Jahren hat die „Neue Rechte“ das alte Image des Nazis mit Glatze und schweren Stiefeln abgelegt. Statt sich durch eine rechte Subkultur abzugrenzen, will die „Neue Rechte“ die existierende Jugendkultur nutzen. Den Anfang machte die Identitäre Bewegung (IB) mit ihren professionell produzierten Online-Videos. Sie wird inzwischen vom deutschen Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Doch ihre Methode, sich an die bestehende Jugendkultur anzuschließen, wird heute von vielen Rechten systematisch genutzt. Besonders die sozialen Medien spielen dabei eine große Rolle.

Auch vor Ort werden rechte Ideen verbreitet – zum Beispiel auf Dorffesten oder beim Kaffee- und Würstchenverkauf. Als „Metapolitik“ wird diese Strategie in der rechten Rhetorik bezeichnet: Die Menschen sollen dort beeinflusst werden, wo sie sich zu Hause fühlen und unter sich sind. So entsteht ein Wir-Gefühl. „Mithilfe dieser Metapolitik wird unauffällig rechtes Gedankengut zu den Menschen gebracht“, sagt Lorenz Blumenthaler von der Amadeu Antonio Stiftung.

Erst wirkt alles unpolitisch und harmlos, „aber so schaffen sie es, langsam in die Köpfe der Menschen einzudringen und ihre Ideologie dort zu platzieren“, so Blumenthaler. So geschah es auch mit dem verfälschten Gigi D’Agostino-Song: Ein über 20 Jahre altes, fröhliches Lied, dessen Macher nichts mit rechtem Gedankengut zu tun hat, wird gerade wegen seiner Harmlosigkeit für rechtsextreme Propaganda genutzt.

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