Schwarzwälder Küche neu serviert
Der Schwarzwald ist nicht nur für seine einzigartige Natur berühmt, sondern auch für seine Küche. Zwei Hobbyköche erfinden die traditionellen Gerichte ihrer Heimat neu und haben damit großen Erfolg.
Der Schwarzwald im Südwesten Deutschlands ist eine der beliebtesten touristischen Regionen in Deutschland. Immergrüne, dichte Wälder aus Tannen und Fichten, malerische Dörfer und eine Vielfalt an leckeren, regionalen Gerichten, die weit über die Grenzen bekannt sind, locken die Besucher an – allen voran der Schwarzwälder Schinken und die Schwarzwälder Kirschtorte. Die beiden Hobbyköche Verena Scheidel und Manuel Wassmer lassen sich von den einheimischen Leckereien zu eigenen Rezepten inspirieren. Das Paar aus der Stadt Bühl nahe Baden-Baden kreiert aus traditionellen Zutaten neue Schwarzwald-Gerichte. Einige Kochbücher haben die beiden bisher veröffentlicht – eines davon wurde sogar zum Besten der Welt gekürt, erhielt 2018 den „Gourmand World Cookbook Award“. Dabei hatten sie weder eine gastronomische Ausbildung noch einen eigenen Verlag. Die beiden erklären sich ihren Erfolg so:
„Es ist so die Seele, die wir einfach in diese Tapas geben. Und ich glaub’, das spüren die Leute einfach. Wir sind halt unheimlich heimatverbunden. Und die Schwarzwälder Küche finden wir toll, aber wir wollten der halt ’nen neuen Pfiff geben. / Und es muss auch für jeden machbar sein. Das war uns wichtig.“
Obwohl Verena Scheidel und Manuel Wassmer die traditionelle Küche ihrer Region sehr schätzen, wollten sie ihr einen neuen Pfiff geben, sie interessanter, attraktiver machen, ihr das gewisse Etwas geben. Ihre Häppchen aus verschieden zusammengestellten Zutaten nennen sie „Schwarzwald-Tapas“, obwohl Tapas eigentlich zur typischen spanischen Küche gehören. Aber der Name bietet sich auch für die Wurstpraline aus verschiedenen Sülzarten oder das Ceviche aus Fisch und Schinken der beiden Hobbyköche an. Auch an die weltweit bekannteste Süßspeise ihrer Region, die Schwarzwälder Kirschtorte, wagten sie sich heran. Denn, so Verena Scheidel:
„Die Kirschtorte muss in ’n Schwarzwälder-Buch auf jeden Fall rein, das ist klar. Also ohne die Kirschtorte geht’s nicht. Ja, wir wollten halt die Kirschtorte in ’ne andere Form bringen, eher klein und pikant.“
Normalerweise besteht die Schwarzwälder Kirschtorte aus drei Schichten Schokoladenbiskuitboden. Der Boden wird ordentlich mit Kirschwasser getränkt. Darauf wird dann eine Masse aus gekochten Kirschen und Sahne verteilt. Dieser Vorgang wird noch zweimal wiederholt. Zuletzt wird die Torte ringsum mit Sahne bestrichen, oben mit kleinen Sahnehäubchen und einzelnen Kirschen verziert und mit geraspelter Schokolade bestreut. Die Eigenkreation à la Scheidel-Wassmer ist nicht süß, sondern pikant, gut gewürzt und ähnelt dem Original zumindest optisch. Sie besteht aus den typischen Farben Dunkelbraun, Rot und Weiß. Aber die Torte ist kleiner und die Zutaten sind andere. Verena Scheidel erzählt, dass sie sich durchaus vorher Gedanken gemacht haben, wie sie „ihre“ Schwarzwälder Torte gestalten sollten:
„Durch was können wir denn die einzelnen Schichten ersetzen? Und dann war klar: Das Schokobiskuit muss ersetzt werden durch, klar, auch was Braunes. Und da kam uns gleich Pumpernickel in den Kopf. Und die Kirschen, die ersetzen wir durch eine Masse aus Kirschwassersalami, Marmelade und frisches Kirschwasser. Und die Sahneschicht, was im Süßen etwa die weiße Schicht ist, ersetzen wir durch Frischkäse.“
Verena Scheidel und Markus Wassmer wollten eine herzhafte Variante gestalten. Die dunklen Schichten bestehen aus Pumpernickel, einer besonderen Art von Schwarzbrot. Eine Mischung aus einer Hartwurstsorte, einer Salami, süßer Marmelade und dem typischen Kirschwasser ersetzt die süße Kirschmasse. Und die Sahne muss dem Frischkäse weichen, einer weichen, streichbaren Käsesorte. Statt mit Schokostreuseln wird die Torte mit geraspeltem Schwarzwälder Schinken verziert.
Eigentlich hatten die beiden nicht vor, Karriere als Köche oder Buchautoren zu machen, die ihre Kochbücher im Selbstverlag rausgeben. Verena Scheidel ist hauptberuflich technische Zeichnerin, Manuel Wassmer Lampendesigner. Sie nahmen an verschiedenen Kochwettbewerben im In- und Ausland teil, gewannen fast immer. Irgendwann stellte sich vor allem für Verena Scheidel die Frage: Warum nicht auch andere an unseren Ideen teilhaben lassen? Sie begann, die Gerichte in Szene zu setzen und zu fotografieren. Die Food-Fotografie ist zu ihrer zweiten Leidenschaft geworden:
„Das Hauptding ist halt wirklich, dass wir alles an den Büchern selber machen. Von der Idee der Rezepte über die Gestaltung, die Food-Fotografie, die Datei. Und dass es halt wirklich aus einer Hand kommt und halt nicht zehn Mitarbeiter an einem Buch arbeiten, sondern wirklich alles von uns, aus eigener Feder, [kommt]. Und das spüren die Leute, glaub’ ich.“
Mehr als 500 Rezepte haben Verena Scheidel und Manuel Wassmer mittlerweile veröffentlicht – von einfach bis anspruchsvoll, von vegan bis kalorienbewusst, extra für die schlanke Linie. Und die Hobbyköche achten darauf, dass die Zutaten immer frisch sind. Dafür machen sie auch schon mal einen Spaziergang zum Forellenteich in der Nähe. Dort wird der Fisch dann auch selbst mit einem Kescher rausgefischt – natürlich in der Hoffnung, ein prachtvolles Exemplar zu bekommen, so Verena Scheidel:
„Ich glaub’, ich suche mir den Dicksten raus. Es soll ja auch was dran sein … Ah ja!“
Die Hoffnung hat sich erfüllt: Verena Scheidel fängt eine Forelle, an der etwas dran ist, die genug Fleisch angesetzt hat. Für Manuel Wassmer ist es schon ein besonderes Gefühl, sich eine frische Zutat für eine Speise selbst zu besorgen:
„Auf jeden Fall schmeckt man es, wenn ’n Fisch frisch ist, wenn man ihn selber gefangen hat. Da kommt einfach ein gewisses Feeling zusammen [auf].“
Zurück in der Küche wird die Forelle filetiert, in kleine Stücke geschnitten und auf mit Käse gratiniertes Gemüse gelegt. Mit einer Krone aus Sülze wird alles im Backofen kurz erhitzt. Anschließend fotografiert Verena Scheidel das Gericht für das Kochbuch „Tapas aus ganz Deutschland“. Sie hat genaue Vorstellungen, wie das Design aussehen soll:
„In erster Linie soll der Leser das Buch durchblättern und Hunger bekommen. Er soll gleich Lust haben loszukochen, und ja, direkt ans Werk zu gehen. Und wenn ich das erreicht hab, dann bin ich glücklich.“
Und wenn Verena Scheidel und Manuel Wassmer in ihrer Freizeit mal nicht am Herd stehen, kommen sie trotzdem nicht von ihrer Leidenschaft los:
„Wir gehen immer viel spazieren im Schwarzwald. Und wenn wir nicht am Kochen sind, dann reden wir über’s Kochen und überlegen: ‚Was können wir wieder für Rezepte kreieren, was können wir als Nächstes machen? Also wir holen schon die meisten Ideen eigentlich draußen in der Natur. Weil in der Küche hat man oft ’ne Blockade. / Uns ist ganz wichtig, dass wir locker und unverbissen an die Sache rangehen.“
Den Kopf frei haben für neue Ideen, nicht verbissen sein, also festgelegt darauf, unbedingt etwas Neues schaffen zu müssen: Das ist ihr Credo. Und das fällt ihnen bei einem Spaziergang leichter als in der Küche, wo sie schon mal eine Blockade haben. Es fällt ihnen nichts ein. Die Hobbyköche Verena Scheidel und Manuel Wassmer beweisen, dass man auch mit moderner Schwarzwald-Kulinarik punkten kann. Und natürlich essen die beiden auch gern – am liebsten natürlich ihre gemeinsamen Kreationen –, gemütlich bei einem idyllischen Picknick im Wald, an einem plätschernden Bach unterhalb eines kleinen Wasserfalls im Herzen des Schwarzwalds.