Hoch hinaus und steil bergab
Freizeitparks locken jedes Jahr tausende Besucher an. Allein in Deutschland gibt es über 100 Parks, die täglich von Menschen auf der Suche nach Vergnügen angesteuert werden. Einer dieser Parks ist das „Phantasialand“.
Es gehört zu den beliebtesten Freizeitparks in Deutschland, das „Phantasialand“ in Brühl bei Köln. Jährlich zieht es rund zwei Millionen Besucher und Besucherinnen an. Das hätten seine Gründer, Gottlieb Löffelhardt und Richard Schmidt, bei der Eröffnung am 30. April 1967 nicht gedacht. Schmidt war Puppenspieler und wollte eigentlich nur einen Ort haben, um seine Puppen und die dazugehörigen Kulissen für alle Interessierten dauerhaft auszustellen. Er bat seinen Freund Löffelhardt, bis dato Schausteller, um Hilfe. Zu Beginn war das „Phantasialand“ noch ein Märchenpark, in dem man nachgestellte Szenen aus berühmten Märchen anschauen konnte. Gleich im ersten Jahr kamen 400.000 Menschen. Wegen des Erfolgs wurde der Park erweitert. Er will jeder Besucherin und jedem Besucher etwas bieten.
Er ist in sechs speziell gestaltete Themenbereiche eingeteilt. Allen Bereichen gemeinsam sind verschiedene Vergnügungsattraktionen, Fahrgeschäfte. So wird man etwa im Bereich „Berlin“ ins Berlin des 20. Jahrhunderts versetzt und kann mit einem Kettenkarussell fahren. Oder in „China Town“ ist man umgeben von chinesischen Gebäuden und kann in die Geisterrikscha steigen, eine Geisterbahn. Andere Bereiche wie „Fantasy“ und „Mystery“ überzeugen durch ihren besonderen Charme und ihre fantasievolle Gestaltung. Ein Beispiel dafür ist der „Wirtls Taubenturm“, ein Kettenkarussell, bei dem man in Gondeln sitzt, sich mithilfe von Kettenseilen am Turm hinaufzieht und danach wieder langsam nach unten gleiten lässt. Nicht umsonst beinhaltet der Begriff „Freizeitpark“ das Wort „Freizeit“, wie ein Besucher bestätigt:
„Ganz einfach abschalten. Vom Alltag, vom Stress, einfach abschalten. Ich mein’, gut, hier hat man auch Stress mit dem ganzen Anstehen hier, die ganzen Leute hier. Das ist natürlich auch nicht wenig. Aber ansonsten ganz gut.“
Die Leute kommen, um ihren Alltag zu vergessen, abzuschalten, und einen abwechslungsreichen Tag zu erleben. Etwas lästig ist nur, dass man sich bei vielen Attraktionen wegen des hohen Andrangs in eine Warteschlange stellen, anstehen muss. Aber im Grunde überwiegt für die meisten der Spaß an den schnellen Abfahrten mit Achterbahnen und das Genießen exotischer Speisen: „Es ist ’ne andere Welt irgendwie, es ist was Besonderes, man kriegt es nicht jeden Tag geboten. Zuhause kann man Gesellschaftsspiele machen oder so, aber sich hier mal wirklich an den Rand der Nervenbelastung jagen zu lassen, das ist auch mal was Besonderes – bisschen Abenteuer.“
Für die Stadt Brühl und die Region ist das „Phantasialand“ ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber. 500 feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und bis zu 850 Saisonarbeitskräfte, die nur während der Öffnungszeiten von April bis Januar angestellt sind, arbeiten hier. Das Unternehmen bildet auch aus, beispielweise Köche* und Konditoren oder Hotelfachkräfte. Denn neben den Fahrgeschäften sind auch Restaurants, Bars und Hotels Teil des Freizeitparks. Saisonkräfte sind häufig an den Fahrgeschäften anzutreffen. Zu ihnen gehört Sebastian. Zu seinen Aufgaben gehört es, sich um die Gäste, aber auch um die Sicherheit seines Fahrgeschäfts im Themenbereich „Fantasy“ zu kümmern. Dafür werden morgens und abends die mechanischen Checklisten durchgegangen:
„Das heißt halt sehen, dass alles mit der Maschine, also mit dem Fahrgeschäft in Ordnung ist und halt alles, was falsch ist, dann aufschreiben, damit die Techniker das korrigieren können. Anfangs war es ein bisschen anstrengend, weil man normalerweise alleine ist und man sich wirklich um die Gäste kümmern muss. Aber nachdem ich ’n bisschen Erfahrung hatte, hat das dann doch sehr viel Spaß gemacht. Mein Lieblingsfahrgeschäft: [der] Taubenturm, weil man dort ganz entspannt den Tag verbringen kann und die Gäste richtig viel Spaß haben.“
Das „Phantasialand“ muss mit der Zeit gehen. So werden alte Fahrgeschäfte abgerissen und durch neue ersetzt, allerdings auch, weil der Park an ein Naturschutzgebiet grenzt und daher wenig bis gar nicht erweitert werden kann. Manche Gäste sehen das mit gemischten Gefühlen oder bedauern den Verlust bestimmter Attraktionen:
„Ich sehe das zwiegespalten, einerseits gut, andererseits natürlich auch schade, dass die alten Sachen weg sind. Aber gut, solang’ die sich nicht erweitern dürfen, muss natürlich irgendwas weichen, um neues zu schaffen. / Find’s ’n bisschen schade, dass ein paar von diesen ganzen alten Animatronic-Bahnen wie die Silbermine und so was abgerissen wurden. Denn ich bin als Kind schon oft mit meiner Oma dahingegangen und das waren immer die Highlights. Aber so lange die Geisterrikscha stehen bleibt, ist alles in Ordnung. / Silbermine fand ich voll schön, damals.“
Besonders diejenigen, die dem „Phantasialand“ seit ihrer Kindheit die Treue halten, schmerzt es, wenn Attraktionen wie die Silbermine, die zwanzig Jahre lang ein besonderer Anziehungspunkt, ein Highlight, waren, abgerissen werden. Das Fahrgeschäft, bei dem man in einem alten Zug durch eine künstliche Berglandschaft gefahren wurde, gehörte zu den sogenannten Animatronics. Links und rechts der Fahrtstrecke wurden mit mechanisch betriebenen, manchmal sprechenden Puppen, verschiedene Szenen nachgestellt – wie beispielsweise der Auftritt einer Band und einer Tänzerin in einer mexikanischen Bar.
Doch das „Phantasialand“ hat auch den Ruf, bei technischen Innovationen immer ganz vorne mit dabei zu sein. Ein Beispiel dafür ist die Highspeed-Achterbahn Taron, die 2016 eröffnet wurde. Zu dem Zeitpunkt galt sie als die schnellste und längste ihrer Art, ihre Strecke kreuzt sich 116-mal. Besonders bei jungen Besuchern kommt das gut an:
„Taron – die ist halt schnell, kurz auch, und knackig. / Gibt einfach voll den Kick!“
Die starke Beschleunigung und die vielen Kurven Tarons geben einem voll den Kick, ein großartiges Gefühl, dass auch nach der Fahrt noch anhält, auch weil Adrenalin ausgeschüttet wird. Obwohl die Fahrt fast zwei Minuten dauert, kommt sie einem knackig, kürzer und spannend, vor. Aber es gibt auch ängstliche Besucher. Die suchen sich dann weniger schnelle Fahrgeschäfte:
„Eigentlich sind wir so die Karussellgänger, aber keine Achterbahn. / Wir gehen so auf Wasserrutschen.“
Während die Besucher ihren Spaß haben, leiden die Anwohner, die das Geratter der Schienen und die Jubelschreie der Fahrgäste auch in ihrem Zuhause hören. Um dem entgegenzuwirken, werden um die Fahrgeschäfte riesige Plastikkulissen gebaut, die einen Großteil des Lärms absorbieren sollen. Eine Besucherin fasst in Worte, was am Ende eines Tags im „Phantasialand“ für jede und jeden gelten dürfte:
„Ich bin fasziniert von der Größe und von allem, was hier geboten wird.“