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Künstler nach der Flucht: Heinrich Heine

Paula Rösler
25. Dezember 2017

Als junger Mann steht Heinrich Heine vor der Frage: Heimat oder Freiheit? Frustriert von Zensur und Antisemitismus im Deutschland des 19. Jahrhunderts, zieht er nach Paris - und sehnt sich doch stets nach Hause zurück.

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Gemälde Heinrich Heine von Oppenheim Ausschnitt
Bild: picture alliance/akg-images

Der Journalist und Dichter Heinrich Heine war ein Freigeist, Querdenker und begnadeter Analyst - und lebte zur falschen Zeit im falschen Land. Denn Presse- und Meinungsfreiheit gab es im Deutschland des frühen 19. Jahrhundert nicht. Nicht einmal Deutschland gab es als einheitlichen Staat - das Gebiet der heutigen Bundesrepublik war ein Flickenteppich aus Königreichen und Fürstentümern.

Gedanken von Freiheit und Gleichheit, die er auf Papier brachte, wurden von den Zensoren zerpflückt oder komplett erstickt, bevor Verleger sie drucken und verbreiten konnten. Damit wollte und konnte sich Heine nicht abfinden. Er suchte die Öffentlichkeit, war sich seines Könnens sicher. Seinem Frust machte er satirisch unter anderem in seinen "Reisebildern" Luft: ein ganzes Kapitel füllte er nur mit Spiegelstrichen, dazwischen die Worte "Die deutschen Zensoren" und "Dummköpfe".

Neue freie Heimat: Frankreich

Zudem litt Heine als Jude schon seit seiner Kindheit unter dem Antisemitismus in Deutschland: Als er in der Schule einmal erzählte, sein Großvater sei "ein kleiner Jude mit einem langen Bart" gewesen, gab es Prügel: "Es waren die ersten Prügel die ich auf dieser Erde empfing", erinnert er sich in seinem Memoiren. Während des Jura-Studiums wurde er als Jude aus einer Burschenschaft ausgeschlossen. 1831 kehrte er Deutschland den Rücken und zog nach Paris: eine Stadt in voller kultureller Blüte. Denn in Frankreich hatten die Bürger gerade in zwei Revolutionen die Bourbonen-Könige vom Thron gestürzt und sich Freiheiten erkämpft - wie die Pressefreiheit. 

Gemälde Einzug Napoleons in Düsseldorf November 1811
In Düsseldorf ordnete Napoleon 1811 eine Stadt-Verschönerung an - so entstand u.a. die heutige Heinrich-Heine-Allee.Bild: Public Domain/J. Petersen

Vom sicheren Paris aus begann er, als Korrespondent zu berichten. Es war die Zeit, in der die Schnellpresse den Zeitungsmarkt umkrempelte, immer neue Publikationen entstanden. In seiner neuen Wahlheimat machte er Bekanntschaft mit intellektuellen Größen der Zeit - wie Honoré de Balzac, Frederic Chopin, Alexandre Dumas oder Franz Liszt. Französisch beherrschte Heine bereits fließend, er hatte die Sprache schon zu Schulzeiten im Privatunterricht gelernt.

Geboren als Harry Heine in Düsseldorf am Rhein 

Ohnehin war der gebürtige Düsseldorfer (1797) ein großer Frankreich-Fan. Schon als Kind hatte ihn Napoleon fasziniert, der 1811 mit seinen Truppen in Heines Heimatstadt einmarschiert war und den Code Zivil eingeführt hatte: ein neues bürgerliches Gesetzbuch. 

Heinrich nannte sich Heine übrigens erst später - seine aufgeklärt-jüdischen Eltern Samson und Betty Heine hatten ihm den Vornamen Harry gegeben. Er hatte drei jüngere Geschwister: Charlotte, Gustav und Maximilian. Heines Vater war Tuchwaren-Händler und führte ein eigenes Geschäft, musste jedoch 1819 Konkurs anmelden und starb neun Jahre später an den Folgen einer schweren Krankheit. Seine Mutter Betty, die strengere der Beiden, war stets darauf erpicht, dass ihr Sohn Harry einen bürgerlichen Weg einschlagen und das Schreiben nicht zu ernst nehmen solle.  Aber trotz mancher Differenzen darüber waren sich Mutter und Sohn eng verbunden.

Geld von Onkel Salomon

Ein Leben lang wichtig war für ihn auch sein Onkel Salomon Heine: ein überaus erfolgreicher Bankier, der in Hamburg wohnte. Ohne die finanziellen Zuwendungen des Onkels wäre Heine wohl kaum über die Runden gekommen. Das Geld aus Hamburg war lebenswichtig, wenn seine Texte nicht gedruckt wurden oder er seine Honorare allzu großzügig ausgab.

Handschrift Heinrich Heine Widmung an Onkel Salomon
Heine gehörte zu den bestbezahlten Dichtern seiner Zeit, trotzdem war er finanziell abhängig von seinem Onkel Salomon. Bild: picture alliance/akg-images

Doch der reiche Onkel knüpfte die Unterstützung durchaus an Bedingungen. Zum Beispiel forderte er von seinem Neffen, das Studium zu Ende zu bringen. Heine besuchte die Universitäten in Bonn und Göttingen – und machte gute Miene zum bürgerlichen Spiel. Wie von ihm erwartet wurde, schloss er sein Jurastudium ab. Um seine Chancen auf einen Job zu verbessern, tat er zudem etwas, worüber er sich später ärgern sollte: Er konvertierte zum protestantischen Glauben, weil er seine jüdische Religion als Karriere-Bremse empfand. Kurze Zeit später schrieb er: "Ich bin jetzt bei Christ und Jude verhasst, ich bereue sehr, dass ich mich getauft habe."  

Deutschland: eine Hass-Liebe

Dabei war Heinrich Heine eigentlich kein Typ, der sich anpasste. Zumindest nicht im Schreiben. In vielen seiner Werke spiegelt sich seine provokante Art wider, etwa wenn er formuliert: "Ende der Literatur in der Demokratie: Freiheit und Gleichheit des Stils." Es war seine unverfrorene, scharfe, manchmal neckische, manchmal kummervolle aber immer klare Sprache, die Größen wie Brahms, Wagner oder Schumann zu Kompositionen nach Heines Gedichten inspirierte. Der deutsche Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki nannte Heine einmal "den bedeutendsten Journalisten unter den deutschen Dichtern und denn berühmteste Dichter unter den Journalisten der ganzen Welt."

Heinrich Heine
Die letzten acht Jahre seines Lebens verbringt der an Lähmungserscheinungen leidende Heine in seiner "Matratzengruft". Bild: Getty Images

Ein großes Thema bestimmte Heines Arbeit maßgeblich: Sein ambivalentes Verhältnis zu seiner deutschen Heimat. Eine innere Zerrissenheit, die sich in Briefen zeigt: "Alles Deutsche wirkt auf mich wie ein Brechpulver", schrieb er 1822 an einen Freund. "Die deutsche Sprache zerreißt meine Ohren. Die eigenen Gedichte ekeln mich zuweilen an, wenn ich sehe, dass sie auf Deutsch geschrieben sind." Einige Jahre später klingt das ganz anders: "Ich liebe sogar im Grunde das Deutsche mehr als alles auf der Welt, ich habe meine Lust und Freude dran, und meine Brust ist ein Archiv deutschen Gefühls."

Heimweh bis in den Tod

Je länger Heinrich Heine in Paris lebte, umso mehr schmerzte ihn das Exil. Vor allem die Sehnsucht nach seiner Mutter machte ihm zu schaffen. Aber er sah bald auch ganz klar, dass er nicht mehr dauerhaft in sein Heimatland würde zurückkehren können. Zu groß war das Risiko, verhaftet zu werden.

Nur zweimal reiste Heine vor seinem Tod noch nach Hause. Auf einer der Reisen verfasste er in seinen "Nachtgedanken" die berühmten Zeilen: "Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht." Im Februar 1856 starb Heinrich Heine nach jahrelanger Krankheit und Bettlägerigkeit in Paris. Dort liegt er auf dem Friedhof Montmartre begraben.

Sie möchten Hören, wie Heines Zeilen klingen? Klicken Sie hier und entdecken Sie das multmediale Pageflow zu "Nach der Flucht".

Hier können Sie die TV-Dokumentation "Nach der Flucht" sehen: 

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