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Politik

Medien: Kroatien schiebt illegal Migranten ab

24. Juni 2021

Indizien gab es schon länger. Nun haben mehrere Medien nach gemeinsamer Recherche illegale Pushbacks von Flüchtlingen an der kroatischen Grenze zu Bosnien-Herzegowina dokumentiert.

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Bosnien und Herzegowina Migranten an der Bosnisch-Kroatischen Grenze bei Velika Kladusa
Migranten marschieren in Bosnien auf die kroatische Grenze bei Velika Kladusa zu (Archivbild)Bild: Marko Djurica/Reuters

Für das aufwändige Rechercheprojekt haben sich das deutsche Magazin "Der Spiegel", die Medienorganisation Lighthouse Reports, die SRF Rundschau aus der Schweiz, das ARD Studio Wien und die kroatischen Zeitung "Novosti" zusammengetan. Gemeinsam fanden sie heraus: Die kroatische Polizei schiebt systematisch besonders schutzbedürftige Asylsuchende nach Bosnien und Herzegowina ab, ohne ihnen die Chance zu geben, einen Asylantrag zu stellen.

Den Rechercheuren gelang es erstmals, die sogenannten Pushbacks zu filmen. Bei Pushbacks handelt es sich um illegale Zurückweisungen von Geflüchteten, nachdem diese die Grenze zu einem Land bereits übertreten haben. Binnen einer Woche dokumentierten die Medienmitarbeiter illegale Abschiebungen von rund 65 Asylsuchenden, darunter Schwangere und Kleinkinder, teils mit Behinderungen. Auf den Bildern sind die kroatischen Grenzschützer klar erkennbar.

Ein Zusammenschnitt des Videomaterials wurde von den beteiligten Medien online veröffentlicht. Die Aufnahmen sollen zeigen, wie kroatische Polizisten und Grenzschützer Personen aus Kroatien und damit aus der EU zurück in bosnische Wälder schicken. Die Migranten und Geflüchteten, darunter auch Kinder, berichten den Journalisten in dem Video unter anderem, dass sie geschlagen worden seien. Zudem seien ihnen in Kroatien die Handykameras zerstört worden, damit sie keine Aufnahmen der Geschehnisse machen können.

Rechtswidrige Polizeieinsätze

Die sogenannten Pushbacks verstoßen gegen kroatisches, europäisches und internationales Recht. Über solche Pushbacks an der kroatischen Grenze, einer Außengrenze der EU, wird immer wieder berichtet. Auf Anfrage des "Spiegel" teilte das Innenministerium in Zagreb mit, dass es sich bei den Aktionen um legale Einreiseverweigerungen direkt an der Grenze gehandelt habe. Hierbei sei es nicht notwendig, die "Bedürfnisse der Migranten" festzustellen. Dabei ignoriert das Innenministerium nach Angaben des Magazins allerdings, dass die Schutzsuchenden nach eigener Aussage bereits tief in kroatisches Territorium vorgedrungen waren. EU-Recht verbiete in diesem Fall eine Abschiebung über die grüne Grenze und schreibe außerdem vor, auf Anfrage ein Asylverfahren zu ermöglichen.

EU-Parlamentarier sehen nach Sichtung der Videos eine Gefahr für die Glaubwürdigkeit der EU. Die EU-Kommission müsse Kroatien zwingen, Schutzsuchenden ein Asylverfahren zu gewähren, sagte die niederländische Europaabgeordnete Tineke Strik.

Macht Zagreb Zugeständnisse?

Ärger droht der kroatischen Regierung demnach auch wegen eines Berichts des Antifolterkomitees des Europarates. Hinter den Kulissen heißt es, der fertiggestellte aber noch nicht veröffentlichte Bericht bestätige die Vorwürfe gegen die Grenzwächter. Die kroatische Regierung wehre sich gegen eine Veröffentlichung. Das kroatische Innenministerium bestreitet das.

Die zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson sagte, sie habe in der Vergangenheit zahlreiche ähnliche Berichte erhalten. Jeder einzelne Vorwurf müsse untersucht werden. Jedoch habe sich der kroatische Premier Andrej Plenkovic bei ihren Besuchen einsichtig gezeigt und zugesagt, einen unabhängigen Mechanismus zur Menschenrechtsbeobachtung an der Grenze zu etablieren.

kle/rb (kna, dpa)