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Nur vorsichtige Kritik am Ukraine-Krieg

10. März 2022

Mit eher allgemeinen Plädoyers für den Frieden reagieren russische Sportstars auf die Invasion in der Ukraine - auch weil ihre Manager dazu raten, sich zurückzuhalten.

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USA | Eishockey NHL | Washington Capitals - Seattle Kraken | Alex Ovechkin
Der russische NHL-Superstar Alexander Ovechkin muss sich unangenehmen Fragen stellen Bild: Nick Wass/AP Photo/picture alliance

Das Eis ist dünn für Alexander Ovechkin. Als der russische Superstar in der nordamerikanischen Eishockey-Profiliga NHL an diesem Mittwoch als Kapitän der Washington Capitals bei den Edmonton Oilers auflief, wurde der 36-Jährige von den Fans ausgebuht. In der kanadischen Stadt gibt es eine große ukrainische Gemeinde.

Ovechkin steht wegen seiner Nähe zu Wladimir Putin zunehmend unter Druck. Einst rühmte er sich, die Telefonnummer seines Präsidenten zu haben und regelmäßig mit ihm zu telefonieren. Noch immer hat er auf seinem Instagram-Account ein Profilbild, das ihn an der Seite Putins zeigt. Angeblich will Ovechkin das Bild aus Sorge um seine Familie nicht austauschen: Seine Frau und die beiden Kinder halten sich in Russland auf.

Zwischen allen Stühlen

Ovechkin gilt als einer der besten Eishockeyspieler aller Zeiten. Seit 2005 spielt der Russe für die Capitals, mit 766 Treffern (Stand 10. März 2022) ist er der drittbeste Torjäger in der Geschichte der NHL. Jetzt sitzt er zwischen allen Stühlen. Die einen kritisieren, dass er nicht eindeutig genug Position gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine beziehe. In Russland dagegen werfen ihm Nationalisten mangelnde Loyalität vor.

Als er Ende Februar bei einer Pressekonferenz auf die Invasion in der Ukraine angesprochen wurde, antwortete Ovechkin: "Ich bin Russe, ich kann es nicht kontrollieren. Ich hoffe, dass bald wieder in beiden Ländern Frieden herrscht." Als ein Reporter nachhakte, wie es um sein Verhältnis zu Putin stehe, sagte Ovechkin: "Er ist mein Präsident." Und dann schob er noch nach: "Aber ich bin kein Politiker, sondern Sportler."

Manager warnen vor möglichen Folgen

Auf diese Position ziehen sich offenbar fast alle 55 russischen und drei belarussischen Eishockeyspieler zurück, die laut dem Internetportal "QuantHockey.com" in dieser Saison bei NHL-Klubs unter Vertrag stehen. Etwa die Hälfte von ihnen haben verifizierte Instagram-Accounts. Dort veröffentlichten sie seit Jahresbeginn jedoch fast ausschließlich private Bilder mit Frau oder Freundin, Kind oder Hund sowie sportliche Schnappschüsse. Lediglich ein Profi hat sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs auf Instagram öffentlich dazu geäußert: Nikita Zadorov, Profi der Calgary Flames, postete ein schwarzes Bild mit der Aufschrift "No War" (Kein Krieg) und schrieb dazu "Stop it!!!".

Nach Informationen des kanadischen TV-Sportsenders "TSN" haben viele Manager den Spielern zu äußerster Vorsicht bei politischen Äußerungen geraten - mit Verweis auf das neue russische Gesetz, das für "Falschmeldungen" über den Krieg Gefängnisstrafen von bis zu 15 Jahren vorsieht. "Einige meiner Klienten können sich in Nordamerika frei äußern", sagte Dan Milstein, ein gebürtiger Ukrainer, der etwa drei Viertel der russischen und belarussischen Profis vertritt. "Aber ihre Familien daheim könnten dafür schikaniert werden."

Plädoyers für Frieden

Russische Stars in anderen Sportarten flüchten sich in eher allgemeine Appelle zum Frieden, anstatt direkt Kritik an Putin zu äußern. So veröffentlichte Daniil Medvedev, die neue Nummer 1 im Männer-Tennis, auf Instagram einen Post "im Namen aller Kinder auf der Welt: Sie alle haben Träume, ihr Leben fängt gerade erst an. Sie fühlen und sehen alles zum ersten Mal in ihrem Leben. Deshalb möchte ich für den Frieden in der Welt bitten, für den Frieden zwischen den Ländern."

Sein Landsmann Andrey Rublev, Nummer sieben der Weltrangliste, schrieb mit einem Stift auf die Linse einer TV-Kamera: "No war please". Später twitterte der 24 Jahre alte Russe, der im Doppel erfolgreich mit dem Ukrainer Denys Molchanov zusammenspielt: "Jetzt geht es nicht um Tennis. Es geht nicht um Sport. Es geht um den Frieden auf der ganzen Welt. Wir müssen uns gegenseitig unterstützen."

Der russische Nationalstürmer Fedor Smolov postete auf Instagram ein komplett schwarzes Bild mit dem Text "Nein zum Krieg", gefolgt von einem gebrochenen Herzen und der ukrainischen Flagge. Ähnlich positionierte sich die russische Biathletin Larissa Kuklina. Sie veröffentlichte ein Porträt von sich in Schwarz-weiß, dazu ein geteiltes Herz: eine Hälfte in den ukrainischen, die andere in den russischen Nationalfarben. Die Bildunterschrift lautete: "Was ist hier los? Schluss damit! Wir leben im 21. Jahrhundert!"

Z auf dem Trikot

Einzelfälle blieben bislang russische Sportler, die sich öffentlich hinter Putins Krieg gegen die Ukraine stellten. So ermittelt die Ethik- und Disziplinarkommission des Schach-Weltverbands FIDE gegen Großmeister Sergey Karjakin. Er hatte in einem offenen Brief an Putin dem Präsidenten seine "volle Unterstützung" zugesichert: "Ich wünsche unserer tapferen Armee eine möglichst rasche Lösung aller ihr zugetragenen Aufgaben."

Für Schlagzeilen sorgte auch der russische Kunstturner Ivan Kuliak. Der 20-Jährige trug beim Weltcup in Doha in Katar auf dem Siegerpodest ein Trikot mit dem Buchstaben Z. Dieser befindet sich auch auf allen Fahrzeugen der russischen Armee bei der Invasion in der Ukraine. "Für mich steht das Z für den Sieg und den Frieden", sagte Kuliak später. Auch gegen den Turner läuft ein Disziplinarverfahren.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter